Außensicht

Demo im Dom: Die heilige Bestörung

Aus ff 01 vom Donnerstag, den 04. Januar 2024

War es „Störung“? Störung einer heiligen Handlung, was Blasphemie wäre und somit strafrechtlich verfolgbar? Wie meistens, es sind die Nichtbetroffenen, die nach „gerechter Strafe“ rufen, und so war es auch bei der „Störung“ des Hochamts am Christtag im Bozner Dom. Es war keine. Die strammen Herren der Recht- und Ordnung-Parteien, die uns demnächst regieren werden, hätten bei besagt „gestörter“ Veranstaltung dabei sein sollen. Sie hätten so lernen können, wie respektvoll, demokratisch und zugleich wirksam mit einem Akt zivilen Ungehorsams umzugehen ist.

Ich war dabei und kann nur bewundernd berichten. Dekan Holzer verliest vor vollbesetztem Dom das Weihnachtsevangelium. Er schließt ab, kurze Besinnungspause, die Gläubigen setzen sich, wartend, dass Bischof Ivo Muser mit der Predigt beginnt. Da gehen vier junge Menschen, zwei Männer, zwei Frauen, durch den Mittelgang nach vorne. Für uns Arglose eine zu Festmessen vertraute Einlage, nicht mehr. Bis die vier dann vorn das Spruchband mit der politisch brisanten Botschaft entrollen und dazu rufen: „Völkermord in Gaza. Für ein freies Palästina“.

Ab da ist es politisch. Und zwar wunderbar politisch. Der Bozner Dom gibt ein Stück politischer Weihnachtskultur. Auftakt: der Bischof gleich zum Messbeginn mit einem Aufruf zu Frieden „in der Ukraine, in Gaza, in Israel“. Einlage: zwischen Evangelium und Predigt die erwähnte Demo. Hauptteil: Der Bischof predigt um Frieden für Ukraine, Gaza und Israel!

Und das Schöne an der Geschichte: Vom Bischof und der mitzelebrierenden Priesterschar vorn am Altar durchs vollbesetzte Kirchenschiff hindurch bis hinten zum Ausgang war kein bisschen Regung des Unmuts oder Anstoßes, geschweige von Panik zu erkennen. Beeindruckend, wie absolut störungsfrei abgelaufen ist, was hintennach als „Störung“ denunziert wird.

Succus der Nachbetrachtungen draußen vor der Kirchentür: „War es etwa abgesprochen? Muss doch abgesprochen gewesen sein!“ War es erklärtermaßen nicht. Was dann? Weihnachtswunder gibt es.

Florian Kronbichler | Journalist, ehemaliger Chefredakteur der ff

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