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Außensicht
Sprachgruppenerhebung: „Du zählst“ – nicht
Aus ff 07 vom Donnerstag, den 15. Februar 2024
Überall im Land grüßt neuerdings der Spruch „Du zählst“ von Plakatwänden herab. Schön wär’s. Das Mutmacherle ist aber nur ein Werbespot des Landesstatistik-Instituts Astat, und also ein kleiner Schwindel. Einen Schmarrn nämlich „zählen wir“, wir werden gezählt.
Es geht um die Sprachgruppenzählung. Das Land will alle zehn Jahre nachzählen, aus wie vielen Deutsch-, Italienisch- und Ladinischsprachigen es besteht. Dafür soll, das Land sagt: muss, jeder und jede Ansässige sich einer der drei Sprachgruppen zugehörig respektive angegliedert erklären. Notwendig sei das, um den ethnischen Proporz zu errechnen. Das ist jener Schlüssel, nach dem in diesem Land der Autonomie Arbeitsplätze, politische Posten und Geldmittel auf die Sprachgruppen verteilt werden, emtsprechend ihrer Stärke.
So ist das von den Vätern der Autonomie vor 50 Jahren festgelegt worden. Als Instrument der Wiedergutmachung erlittenen Unrechts und als Gewähr eines funktionierenden Minderheitenschutzes, hieß es. Wiedergutmachung ist erfolgt, sicher auch dank dem eingesetzten Proporz-Knüppel, doch was als Provisorium einmal erfunden, blieb Definitivum. Deshalb jetzt aufs Neue: „Du zählst“.
Allein, dass um mich geworben wird, beweist: Es ist Wahlkampf, und es läuft schlecht. In vierzehn Tagen läuft die Frist für die digitale Zählung ab, und noch haben nicht einmal 20 Prozent ihre Zählpflicht erfüllt. Es wird ein Zähldebakel geben. Die gleichzeitige Hundekacke-DNA-Kampagne ist ein Selbstläufer im Vergleich.
So ist es, wenn Regeln Realitäten überleben. Der Sprachgruppenzählung ist die ethnische Wirklichkeit abhandengekommen. Es wird ihr ergehen wie den politischen Wahlen: Die Zählbeteiligung sinkt, „Falscherklärungen“ nehmen zu, die starke Volksgruppe wird noch stärker, die schwache noch schwächer, der ethnische Proporz, dieser angeblich so unverzichtbare, weil einzig Gerechtigkeit schaffende, wird fortleben, indem er stillschweigend unterlaufen wird.
von Florian Kronbichler | Journalist, ehemaliger Chefredakteur der ff
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Leserkommentare
1 KommentarArtim
17. Februar 2024, 17:03Volksgruppen- ebenso wie (soziale) Geschlechterzugehörigkeit haben mit Selbstzuschreibung zu tun. Ja, und?
Was sonst?
Diese sind aber dennoch notwendige Grundlage, um überhaupt durch gezielte Maßnahmen und Vorteilsgewährung der Ungleichwertigkeit der "citizenship" entgegenzuwirken.
Bruno Kreisky verwies mit Gespräch mit Südtiroler Studenten in Wien damals nicht nur auf das Selbstbestimmungsrecht Südtirols, sondern auch auf die Notwendigkeit der Quote, um das Gruber-Degasperi-Schutzübereinkommen umzusetzen.
Man kann doch nicht, wie es Rechts- und mittlerweile auch nationale Linksextreme in Bozen und Rom tun, andauernd das völkerrechtliche Schutzübereinkommen für die Sonderverwaltungszone im Rahmen des Pariser Friedensvertrages von 1946 kontinuierlich (einseitig) aushöhlen und demontieren. Ansonsten zerstört man die Rechtsgrundlage selbst, mit all den damit verbundenen Folgen. antworten
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