Außensicht

Sprachen lernen: Die neurotische Eule

Aus ff 21 vom Donnerstag, den 23. Mai 2024

Als vor zwei, drei Jahren, mitten in der Corona-Pandemie, alle um mich herum anfingen, ein enormes Interesse am Sprachenlernen zu entwickeln und dies dank Duolingo-App plötzlich spielerisch und vor allem gratis möglich war, erlag auch ich dem putzigen Charme der grünen Comic-Eule und dem effizienten Marketing des Unternehmens aus Pittsburgh, Pennsylvania.

Und so stürzte ich mich in das Abenteuer Französisch. Auch der Mann, der meinen Spanisch-Grundkurs aus dem ersten Semester an der Uni bisher auf dem Nachttisch verstauben hatte lassen, paukte plötzlich Spanisch auf der Couch, aus den Augenwinkeln „Casa de papel“ bingewatchend. Und der Sohn war begeistert vom Design der App und jauchzte jedes Mal vergnügt, wenn die Werbung für „Super Duolingo“ das Eulenmaskottchen Duo in einen lilablassblauen Supervogel verwandelte – was die Werbeeinspielungen wenigstens für einen von uns erträglich machte.

Aber schon bald setzte Ernüchterung ein. Anfangs noch begeistert von Lernfortschritt und monatelangem „Streak“ (der ununterbrochenen täglichen Nutzung der App), war ich dann doch irritiert über die Reaktion von Duo, wenn ich mal nicht so fleißig war. Push-Nachrichten, rote Warnzeichen, beleidigte Kommentare („Du bist aus der Perlenliga abgestiegen“). Nerviges, plötzlich gar nicht mehr motivierendes Genöle verleidete mir das einst so tolle Spiel und erinnerte unangenehm an vergangene Beziehungen, in denen aus den anfänglichen Schmetterlingen im Bauch irgendwann ein flaues Gefühl und aus den Schmeicheleien des Partners schmollendes Gezicke geworden war. Auch war es meiner Motivation nicht förderlich, dass die Inhalte sich dank KI-gesteuerter Algorithmen irgendwann kaum mehr veränderten und ich immer dieselben Sätze wiederholen musste. Ich musste etwas unternehmen.

Einige Monate und zwei Frankreichurlaube später nenne ich zwei neue Übungsbücher und den gesammelten Bescherelle mein Eigen; ich kann zwar immer noch kein gescheites Französisch, aber muss mir meinen Tagesrhythmus nicht mehr von einer diktatorischen Eule vorgeben lassen. Und das hat doch auch was.

von Bettina Conci | Schreibt Kolumnen, Kurzgeschichten, Kindgerechtes und Kontroverses

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