Silvia Bucciol ist Spezialistin für digitales Marketing bei zukunvt und eine abenteuerlustige Seele. Nach einiger Zeit bei LinkedIn in Dublin ist sie nun in Bozen und Brixen zu treffen. Wenn sie nicht online ist, verirrt sie sich im Wald oder experimentiert in der Küche. Musik begleitet sie durch den Tag und gibt ihr Energie. Es gibt kein Projekt und keine Kreation ohne ihre lebendigen Playlisten.
Außensicht
Zensur: Keusches Kuratorium
Aus ff 24 vom Donnerstag, den 13. Juni 2024
Es gibt grad vieles, was Kopfschmerzen verursacht: die geringe Wahlbeteiligung, der Rechtsruck, das Klima, das zunehmend außer Kontrolle gerät. Da ist unsereins dankbar, wenn sich Menschen darum kümmern, dass man vor weiterer Unbill verschont bleibt: Präventiv, man könnte auch sagen: bevormundend, schreiten sie ein, bevor unsere zart besaiteten Gemüter mit zusätzlichen Schreckensbildern konfrontiert werden.
Als solches muss dem allzu ehrwürdigen Kuratorium von Schloss Kastelbell das Werk „From the Cradle to the Grave“ der Südtiroler Künstlerin Cornelia Lochmann erschienen sein, stellte es die Künstlerin doch vor die Wahl: Entweder verschwindet das Bild aus der Ausstellung im Schloss oder es wird schamhaft verhüllt.
Lochmann entschied sich für das wohl als kleineres Übel Empfundene, und so wird die Darstellung von nackten Frauenkörpern, die mit maskierten Gestalten kopulieren, von einem zarten Vorhangstoff gnädig ins Vage überführt. Wo kämen wir denn hin, wenn das ohnehin schon vom Weltgeschehen gestresste Publikum sich noch Gedanken über (weibliche) Sexualität, über Machtstrukturen und generell Abgründiges machen müsste? Desorientiert, in ihren moralischen Grundfesten erschüttert, würden sich die Besucher reihenweise von den Burgzinnen stürzen. Wer könnte das verantworten? Einem Bergvolk, das sich, so muss es wohl sein, nur widerwillig fortpflanzt, im Dunkeln und ausschließlich in Missionarsstellung, dem jegliche fleischliche Gelüste fremd und unverständlich sind, sind gemalte Sexszenen schlichtweg nicht zumutbar.
Als ich von der Aktion hörte, musste ich an die zugeklebten Seiten (Nackete!) in den Schulbüchern denken, an die Peinlichkeiten um den Kippenberger-Frosch im Museion in Bozen und daran, wie man kleine Kinder energisch wegzieht von Dingen, die sie nicht sehen sollen. „Des isch pfui“, heißt es dann oft, und wer hätte gedacht, dass dieser Spruch auch 2024 noch in der Südtiroler Kulturszene Anwendung findet.
von Alexandra Kienzl | Kolumnistin, Englisch-Lehrerin und ehemalige ff-Redakteurin
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