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Außensicht
Pflerscher Picasso: Des Kaisers volle Windel
Aus ff 30 vom Donnerstag, den 25. Juli 2024
Viele große Künstler haben ihre Karrieren als Wunderkinder begonnen. Sie komponierten Klavierstücke (Mozart, 5 Jahre) und Pop-Alben (Björk, 11), sie schrieben mathematische Theoreme (Pascal, 16) und Gedichte (Hoffmannsthal, 16). Manche von ihnen wurden sogar Bundeskanzler (Sebastian Kurz, 31). Doch sie alle stinken ab gegen ein Wunderkind, von dem wir in der Zett lesen durften: Laurent Schwarz – seines Zeichens Maler, Bayer, „Jahrhunderttalent“ und, nun ja, zarte zwei Jahre alt.
„Was wird ein Zweijähriger schon malen können, außer ein paar Kritzeleien?“, fragen Sie jetzt und beweisen damit schon Ihr Banausentum. Natürlich kritzelt er! Aber im Gegensatz zu Ihrem Deppenkind kritzelt er echte Kunst! Das merkt man etwa daran, dass er eine eigene Farbsprache entwickelt hat („bau, gün und swarz“) und präzise künstlerische Wünsche formulieren kann („Mama, bitte ein Eis“). Die Zett nennt den Kleinen einen „Mini-Picasso“ und meint damit bestimmt, dass man auch Laurents Œvre in mehrere Schaffensperioden einteilen kann. Er hatte eine Elefant-Phase. Jetzt hat er eine Dino-Phase.
Die Kunstbranche ist begeistert: Die Werke des Zweijährigen werden angeblich für sechsstellige Summen gehandelt, sie hängen in New York und „auf den Bahamas“. Was sagt man dazu? Man könnte zum Beispiel die Frage stellen, ob alle den Verstand verloren haben. Und ob es wirklich ein Kunstliebhaber mit leeren Wänden war, der die Kritzeleien auf die Bahamas bringen ließ – und nicht eher ein Steuervermeidungsliebhaber. Die Zett aber stellt lieber eine andere Frage: Kriegt Südtirol eigentlich was ab von der Kohle?
Klar doch, in Form von Gratiswerbung für das „Feuerstein Nature Family Resort“ in Pflersch. Dort nämlich wurde Laurent „entdeckt“, wie der stolze Hotelchef erzählen darf – was auch kein Wunder ist, denn das Fünf-Sterne-Hotel sei ein „besonderer Kraftplatz“, an dem die „Einfachheit des Tales“ einen „ganz eigenen Luxus“ vermittle. Pflersch! Ein Kraftplatz! Wir lernen zwei Lektionen: Ein Künstler, der sich nicht wehrt, wird auch mit voller Windel vom Tourismusmarketing gefressen. Und ein Land, das lange genug Märchen erzählt, glaubt sie irgendwann selbst.
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Ristorante „Essentiae“, Tellaro-Lerici (SP). Jausenstation „Pflonzgortn SOLIS“, Mals-Tartsch.
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