Außensicht

Tourismus: Pringles im Schrank

Aus ff 34 vom Donnerstag, den 22. August 2024

Auf Whatsapp kursiert ein Video, in dem ein Grödner Hotelier den Zustand eines Zimmers nach Abreise der (arabischen) Gäste dokumentiert: schmutzige Windel auf dem Nachtkastl, überquellender Müllkorb, verdreckte Handtücher, Chipskrümel im Kleider­schrank. Eine gut betuchte Familie sei das gewesen, die sich Helikopterflüge gegönnt habe, um das einzigartige Bergpanorama zu genießen. Genießen kann der Hotelier die auch für ihn einzigartige Ansicht nicht: Noch nie in seinem Leben habe er einen derartigen Schweinestall gesehen, konstatiert er und schließt trocken: „Das ist die Zukunft des Tourismus.“

Nun wollen wir die Chips mal in der Packung lassen: Hier ist nichts zu sehen, das sich mit einem großen Müll-
­­­­­­­s­ack, einem Schrubber und etwas Zeit nicht wieder in Ordnung bringen ließe. Natürlich ist es ärgerlich, ja respektlos: Keinerlei Gedanke wurde hier daran verschwendet, dass das jemand auch wieder sauber machen muss.

Viel schwieriger sind da die Spuren derjenigen zu beseitigen, die in Massen auf der Seceda herumstolpern, den Pragser Wildsee umkreisen, den Drei Zinnen fast schon unanständig auf die Pelle rücken und diesen Orten damit ihre Magie rauben – speist sich deren Schönheit doch zu einem großen Teil aus der Abwesenheit von Menschen.Aber Einsamkeit und Ruhe findet man an diesen „hotspots“ schon lange nicht mehr.

Schuld daran sind wir selbst: Wir bauen Straßen, Parkplätze, Aufstiegsanlagen, für die Reichen gibt’s besagte Helikopterflüge, damit alle überall hinkommen, auch wenn sie dort so gut hinpassen wie die Pringles in den Kleiderschrank. Und dann ärgern wir uns über mangelnde Wertschätzung und fehlenden Respekt? Erarbeiten, etwa durch einen Aufstieg oder eine Wanderung, muss man sich gar nichts mehr. Die Natur ist nicht länger Lohn für Mühen und investierte Zeit, sondern eine Dienstleistung, die eilig konsumiert werden kann: Hier ein Klick, da ein Klick, und weiter geht’s zum nächsten instagramable point of interest. Möglicherweise machen wir es unseren Gästen zu einfach, unsere Schätze zu finden. Möglicherweise liegt in einer gewissen Widerspenstigkeit die Zukunft des Tourismus.

von Alexandra Kienzl | Kolumnistin, Englisch-Lehrerin und ehemalige ff-Redakteurin

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