Hermine Mair Orian ist Trägerin des Verdienstkreuzes des Landes Tirol. Wegen ihres Einsatzes als Katakombenlehrerin. Doch stimmt diese Geschichte überhaupt?
Außensicht
Paralympics: Tragisch
Aus ff 36 vom Donnerstag, den 05. September 2024
Es gibt einige Gründe, sich die Paralympics anzuschauen, die derzeit in Paris ausgetragen werden: Interesse an Sport, Wettkampfbegeisterung, ein Faible für Olympia generell. Einen weiteren Grund glaubte vor einigen Tagen ein Redakteur des Tagblatts Dolomiten zu liefern, als er in einem Kommentar den „dauergestressten, dauergefrusteten und dauerdemotivierten Normalos“, die sich „über banalste Dinge aufregen und ihr scheinbar schwieriges Leben ungerecht finden“, riet, sich die Spiele anzusehen, denn: „Dann würden ihnen die Augen aufgehen, was es bedeutet, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen“. Helden seien die Behindertensportler (wobei er das Wort „behindert“ ablehnt), wahre Helden. So weit, so urgh.
Es ist gewiss gut gemeint, den Hochleistungssportler*innen vorab den Heldenstatus zu verleihen, aber womit verdienen sie ihn? Sie trainieren hart, wie andere Sportler auch, sie treten gegeneinander an, wie andere Sportler auch, und okay, sie haben eine Körperbehinderung (ein Umstand, den der Kommentator „tragisch“ nennt), aber rechtfertigt Letzteres die Vorschusslorbeeren, oder sind diese nicht vielmehr Ausdruck gönnerhafter Ignoranz? Und wer möchte schon das bemitleidete Beispiel sein, an dem sich gefrustete Normalos aufrichten, ganz nach dem Motto: Mir geht’s grad dreckig, aber ich darf nicht jammern, immerhin hab ich noch beide Haxn? Wie würde der Redakteur sich fühlen, wenn man ihm sagte: Hab grad eine schlimme Phase, aber zumindest bin ich nicht bei einer gewissen Tageszeitung beschäftigt? Das inspiriert mich total, dass du dich davon nicht unterkriegen lässt?
Menschen mit Behinderung zu schubladisieren, egal, ob nach unten (arme Hascherl) oder nach oben (Helden), macht es den „Normalos“ leichter, mit ihnen umzugehen. Weil man sie sich so nämlich vom Leibe hält. Mehr gedient wäre beiden Seiten mit einer unvoreingenommenen Auseinandersetzung auf Augenhöhe und der Erkenntnis, dass es weder Übermenschen noch Mängelexemplare, sondern gleichwertige Menschen mit Stärken und Schwächen sind. Dass das immer noch nicht selbstverständlich ist, das ist das wirklich Tragische.
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