Außensicht

Smalltalk unter Mammis: Windeln, Milch und andere Klassiker

Aus ff 41 vom Donnerstag, den 10. Oktober 2024

Smalltalk ist die Kunst, viel zu reden, ohne dabei wirklich etwas zu sagen. Was immer funktioniert? Das Wetter. Regen, Sonne, Schnee – man kann sich stundenlang darüber unterhalten, ohne etwas von sich preiszugeben. Aber dann wurde ich Mami. Und plötzlich ist Smalltalk kein harmloser Zeitvertreib mehr. Smalltalk unter Müttern, das ist eine ganz neue Liga: Wer traut sich, die intimste Frage zu stellen – und das ohne rot zu werden? Vergiss „Wie wird das Wetter?“ – jetzt heißt es: „Schläft dein Baby schon durch?“ oder „Wo schläft denn der Papa?“ Und das aus heiterem Himmel, einfach so beim zufälligen Treffen an der Supermarktkasse.

Doch das ist nur das Aufwärmprogramm. Danach geht es erst richtig zur Sache: „Stillst du noch?“ Ernsthaft? Ich frage ja auch nicht wildfremde Leute, was sie gerade so mit ihrem Körper machen. Aber der Höhepunkt der Vertraulichkeit kommt noch: „Wie oft macht es in die Windel?“ Diese Frage wird nicht nur gestellt – nein, sie wird sofort mit einer bildhaften Antwort garniert, als wäre es das Normalste der Welt, mit jemandem, dessen Nachnamen man kaum kennt, den Verdauungsplan des eigenen Kindes zu diskutieren.

Und ich? Natürlich mache ich mit. Nicke verständnisvoll, werfe vielleicht sogar eine eigene Anekdote in den Raum und frage mich insgeheim, ob ich bei der Geburt nicht nur mein Baby bekommen, sondern auch meine Privatsphäre verloren habe. Kommt die irgendwann zurück? Ist das nur eine Phase oder muss ich jetzt bis zum Schulabschluss meines Kindes über Muttermilch und Windelinhalte philosophieren? Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal einfach vorschlagen: „Wie wär’s, wenn wir wieder übers Wetter reden?“ Dann könnte ich wenigstens so tun, als wäre der Regen wirklich das größte Problem meines Tages.

von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin beim Südtirol Journal und freie Journalistin

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