Außensicht

Protest: Die Lautstärke der Kunst

Samstagvormittag, ein Buchenwald in Altenburg, Kaltern. Gitarrenklänge wehen neben Nebelschwaden durch die Bäume. Ein junger Künstler, James Bach, spielt für den Wald – weil hier bald ein Speicherbecken entstehen soll. Eigentlich ist er jemand, der für sich selbst spielt, um der Musik willen. Keine politischen Statements, keine Parolen. Doch heute ordnet er seine Kunst einem Zweck unter. Mein erster Gedanke: schade. Schade, dass auch er sich plötzlich „verkauft“. Aber dann denke ich: Moment mal – vielleicht ist das genau richtig so.

Was darf Kunst? Was muss Kunst? Ist sie nur hübsche Unterhaltung oder hat sie die Verantwortung, laut zu werden, wenn sie etwas als Unrecht empfindet? Dieser Musiker, der nie Stellung bezieht, spielt jetzt für den Erhalt des Waldes – ein Statement durch und durch. Und genau das ist der Punkt: Kunst hat eine Bühne, sie hat eine Stimme, und sie sollte nicht schweigen, wenn sie etwas zu sagen hat und etwas bewegen will.

Die Macht der Kunst ist nicht neu, in der Geschichte waren sich ihrer schon viele Künstler bewusst. In Zeiten großer Kriege und Krisen kämpften sie mit Noten, Buchstaben, und Pinselstrichen – nicht nur für das Vergnügen, sondern für eine Sache. Bob Marley etwa: Als Jamaika in den Siebzigern im Chaos versank, brachte er die verfeindeten Politiker auf die Bühne und zwang sie, sich die Hand zu reichen. Seine Musik hat das getan, was Worte nicht konnten: Sie hat Brücken gebaut, Menschen zusammengebracht.

Zurück in Kaltern, wo die letzten Gitarrenklänge zwischen den Gipfeln der Buchen verklingen. Wir sind nicht im Krieg, schon klar. Aber die Diskussion um das Speicherbecken sorgt für viel böses Blut und noch mehr böse Worte. Vielleicht wird der Wald trotzdem gefällt. Aber dieser Künstler hat sich entschieden, seine Kunst nicht still sein zu lassen. Und genau das sollten wir von Kunst auch erwarten. Sie ist nicht dazu da, immer still zu sein – manchmal muss sie aufstehen und laut werden. Auch wenn es unbequem ist. Gerade dann.

von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin beim Südtirol Journal und freie Journalistin

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