Außensicht

Fehlerkultur: Das schwierigste Wort

Aus ff 46 vom Donnerstag, den 14. November 2024

Vor einiger Zeit habe ich es geschafft, zwei oder drei edle Pullover vom Mann in der Waschmaschine zu schrumpfen. Kaschmir war’s, glaube ich, und danach war’s immer noch Kaschmir, aber halt sehr körperbetont. Der Mann war nicht amused, und mir standen bei Entdeckung des Missgeschicks drei Handlungsvarianten offen: Leugnen jeglicher Verantwortung („Die Katz muss das Programm verstellt haben!“), Banalisierung des Geschehenen („Bauchfrei ist eh in!“) oder die sehr beliebte, aggressive Täter-Opfer-Umkehr („Dann wasche ich halt nix mehr! Gehst halt nackt zur Arbeit!“).

Entschieden habe ich mich letztendlich für Variante vier: freimütiges Zugeben und um Entschuldigung bitten. Und ich kann es nur empfehlen. Der Missmut ist zwar zunächst groß, ihm wird dann aber durch das Schuldeingeständnis der Wind aus den Segeln genommen. Man schlägt sich auch nicht mit einem schlechten Gewissen rum, und, der wohl größte Vorteil: Man wird in Zukunft nicht mehr mit Aufgaben betraut, für die man sich nicht wirklich eignet. Für seine Lieblingspullis trägt der Mann seither selbst Sorge.

Zugeben, dass man etwas verbockt hat, und das ordentlich, das ist nicht nur im privaten Setting sinnvoll. Auch im öffentlichen Leben wäre es hin und wieder angebracht, geschieht dort aber sehr selten. Man folgt dort eher Elton Johns Beobachtung, dass „sorry seems to be the hardest word“. Also das Wort, das den meisten am schwersten über die Lippen kommt.

Ausschreibungen werden in den Sand gesetzt, man hält stur an überholten Technologien fest (siehe Brief auf Seite 15), plant Betonprojekte, obwohl es Renaturierung und Entsiegelung bräuchte. Kein „Sorry, da haben wir uns geirrt, das machen wir jetzt anders“. Stattdessen: Die Katz hat’s ausgeschrieben, es gibt PNRR-Gelder (als wär’s Spiel- und kein Steuergeld), JA KÖNNT IHR IMMER NUR KRITISIEREN?? Dabei ist irren menschlich und wird verziehen; am Irrtum festzuhalten, das ist das Diabolische. Oder wie Elton weiter meint: It’s getting more and more absurd.

von Alexandra Kienzl | Kolumnistin, Englisch-Lehrerin und ehemalige ff-Redakteurin

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