Außensicht

Trend-Alarm: Schlange für Schoki

Aus ff 49 vom Donnerstag, den 05. Dezember 2024

Muss man jedem Hype hinterherlaufen? Oder – wie beim neuesten Online-Phänomen – sich dafür stundenlang anstellen? Sie haben sie bestimmt auch gesehen: die Menschenschlangen, die sich vor Geschäften winden, in denen es eine Süßigkeit gibt, die offenbar die Welt verändert. Dubai-Schokolade heißt das Wunderding. Klingt nach Glamour, nach Luxus, nach „sollte man sich mal gönnen“. Fast wie Schweizer Schokolade – nur teurer und, wenn man ehrlich ist, ein bisschen schräg.

Denn schaut man sich die Bilder an – natürlich online, live kommt man ja nicht ran, erst recht nicht hierzulande –, fragt man sich unweigerlich: warum so viel Radau um eine Schokolade? Die grüne Creme, die aus der Schokolade quillt, sieht aus wie Alien-Schleim oder eine missglückte Dessert-Kreation. Pistazienmark, Engelshaar, Tahini – die Zutatenliste liest sich wie eine Fusion aus Feinkostladen und Märchenbuch. Das Knacken, wenn die Tafel Schoki bricht, lässt dann alle durchdrehen. Und dafür stehen Menschen Schlange und zahlen Preise, bei denen selbst der teuerste Adventskalender blass wird.

Natürlich kommen mit dem Hype die Kopien und die Do-it-Yourself-Rezepte. Warum 25 Euro für eine Tafel zahlen, wenn man sie selbst fabrizieren kann? Da werden Menschen, die sonst nicht mal wissen, wo der Mixer steht, zu Hobby-Konditoren.

Was macht diese Schokolade so unwiderstehlich? Ist es der Hauch von Exotik? Die limitierte Verfügbarkeit? Oder der Drang, sich bei Instagram oder TikTok ins richtige Licht zu rücken? Wahrscheinlich alles zusammen. Solche Trends funktionieren, weil sie uns das Gefühl geben, dazuzugehören. Vielleicht, weil ein Bissen Dubai-Schokolade mehr Likes bringt als ein ganzes Leben lang Milka. Vielleicht, weil wir hoffen, dass uns ein bisschen Engelshaar und Pistazienmark zu besseren oder zumindest beliebteren Menschen machen. Am Ende bleibt es – wie bei vielem – eine Frage der Perspektive: Die einen sehen grüne Creme, die anderen pures Gold. Und ich? Ich sehe vor allem einen Haufen Kleingeld und viel Zeit, die ich lieber anders investiere.

von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin beim Südtirol Journal und freie Journalistin

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