Außensicht

Kickl und der Rechtsruck: Extrem normal

Aus ff 03 vom Donnerstag, den 16. Januar 2025

Wir schreiben das Jahr 2025 und alles geht mit rechten Dingen zu. In Österreich, unserem treuen Vaterland, könnte schon bald Herbert Kickl Kanzler werden. Eben noch hat er in Interviews die Waffen-SS verteidigt und politische Gegner als „Maden“ bezeichnet, nun liegt ihm bald ein Land zu Füßen. Für Südtirol kein Problem, Kickl ist „unsere große Chance“, sagt Sven Knoll, und selbstverständlich wird er sich an Recht und Gesetz halten. So wie bei seiner letzten Regierungsbeteiligung, als er den Verfassungsschutz stürmen ließ und „Fahndungslisten“ für Politiker erstellte.

Wir schreiben das Jahr 2025 und alles geht mit rechten Dingen zu. In Deutschland, unserem treuen Partnerland, könnte schon bald Alice Weidel die Wahlgewinnerin sein. Eben noch hat sie eine SA-Parole zum Wahlslogan gemacht und Hitler einen „Kommunisten“ genannt, nun möchte die AFD-Chefin mit den Christdemokraten herrschen. Für Südtirol kein Problem, man arrangiert sich, erst im vergangenen März war der AFD-Abgeordnete Ruben Rupp („Remigrationsoffensive! … Jetzt heißt es Abflug, aber zügig!“) Gast im Landtag, für ein „freundschaftliches Gespräch“.

Wir schreiben das Jahr 2025 und alles geht mit rechten Dingen zu. Niemand liest Nachrichten. Die Rechten nicht, weil da ohnehin nur Lügen drinstehen, Erfindungen von „Globalisten“ und Systemschreiberlingen. Die Linken nicht, weil Nachrichten schlechte Laune machen, und schlechte Laune lässt die Topfpflanzen hängen. Für Südtirol kein Problem, denn der allgemeine Rückzug hat begonnen, jeder denkt an sich und an alle ist gedacht. In Los Angeles lodern Villen und McDonald’s-Filialen und im Nachhaltigkeitstal Ratschings zündet das Feuerwerk zweimal pro Jahreswechsel. Die Welt brennt, aber wir sind auf der Sonnenseite.

Wir schreiben das Jahr 2025 und sollten uns keine Sorgen machen. Alles bleibt, wie es ist, weil es immer schon so war. Wer im Sommer schwitzt, wird nie wieder frieren. Wer sich einmal den Magen vollgeschlagen hat, wird nie wieder Hunger leiden. Und eine Demokratie, einmal etabliert, kann niemals wieder abgeschafft werden. Regt euch bitte nicht auf, denn alles geht mit rechten Dingen zu.

von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg

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