Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Aus ff 01 vom Donnerstag, den 05. Januar 2017

Editorial
Politgespräch zwischen den Jahren: Alexandra Aschbacher hat den SVP-Senator Karl Zeller zum Interview in Meran getroffen. Er sagt darin unter anderem: „Mein Lebensziel ist, ohne Bitterkeit zu gehen und ohne zu glauben, ich wäre unersetzlich.“ (ab Seite 14) © Alexander Alber
 

warum tun wir uns oft so schwer mit dem Vertrauen? Vielleicht, weil es am Ende immer einen Sprung ins kalte Wasser erfordert. Vertrauen heißt, die Angst vor dem anderen zu überwinden. Vertrauen entsteht nur durch Vertrauen. Der deutsche Soziologe Niklas Luhmann hat Vertrauen einmal als eine Art Vorleistung an die Zukunft beschrieben. Vertrauen, sagte er, sei aber auch eine „riskante Vorleistung“.
Zu jedem Jahresanfang gehört gewissermaßen also auch das Vertrauen. Das Vertrauen in die Zukunft, in ein neues Jahr. Das Vertrauen, dass alles gut wird. Gerade in unsischeren Zeiten brauchen Menschen dieses Urgefühl. Wie ein roter Faden durchzieht das Thema vielleicht auch deshalb unsere aktuelle ff-Ausgabe. Vertrauen in der Politik zum Beispiel bedeutet, jemandem Macht zu überlassen und nur bedingt Einfluss darauf nehmen zu können, was er damit macht. Sowohl im Gespräch mit dem SVP-Senator Zeller („Ich bin schon etwas eitel“, ab Seite 14) als auch mit dem Arzt und Chef der Primargewerkschaft Anpo, Hubert Messner („In Südtirol sind wir alle Peripherie“, ab Seite 22) ist viel von Vertrauen die Rede.
Um Vertrauen im weitesten Sinne geht es aber auch in unserer Titelgeschichte „Südtiroler Spekulanten“. Hunderte Südtiroler haben sich in den vergangenen Jahren in Innsbruck Wohnungen gekauft. Eine attraktive Geldanlage, die in der Tiroler Landeshauptstadt dadurch aber auch die Wohnungspreise nach oben treibt. Karl Hinterwaldner hat die Hintergründe recherchiert. Dabei ist er unter anderem auf einen investitionsfreudigen Versicherungsunternehmer aus Bozen gestoßen. Auf die Frage, warum er gleich 29 Wohnungen samt Tiefgaragenplatz in einer Wohnanlage gekauft habe, antwortete er: „Weil ich in den italienischen Staat kein Vertrauen mehr habe.“ (ab Seite 26) Das Vertrauen in sich selbst wiederum hat Anton Lageder nie verloren. Der Mann ist 89, er war Direktor der Stadtwerke Bruneck, ein Pionier der technologischen Ausrüstung unserer Skigebiete – und er geht jeden Tag Ski fahren. Norbert Dall’Ò hat Lageder beim Skifahren auf dem Kronplatz kennengelernt und war beeindruckt von diesem Mann, der im vorigen Jahr 128-mal Ski fahren ging und nie gestürzt war, nicht miteingerechnet die Ausflüge mit den Tourenski. Das Porträt dazu, „Der Turbinen-Mann“, gibt’s ab Seite 48.
Ach ja, sollten Sie nicht so zu den vertrauensseligen Menschen gehören: kein Problem. Vertrauen kann immer auch eine gesunde Portion Misstrauen einschließen. Wer misstraut, der will schließlich noch etwas. Solange wir also misstrauen und auch vertrauen können, haben wir uns immer noch etwas zu sagen. 

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine anregende ff-Lektüre!

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