Leo Tiefenthaler tritt stets in feinem Zwirn und mit erstklassigen Manieren auf. Das hat ihn zu einem der mächtigsten Männer im Land gemacht. Dabei ist er eigentlich nur ein einfacher Bauer.
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
Aus ff 37 vom Donnerstag, den 13. September 2018
es dauert ja nicht mehr lange, und es ist wieder Oktoberfest-Zeit. Überall in München sind dann wieder die Menschen in Tracht unterwegs. Selbst dort, wo sonst Anzug und Krawatte angesagt sind, schlüpfen Herren in den Trachtenanzug und die Damen in ein Dirndl. Das hat was mit dem Wunsch nach Identität zu tun, mit Werten wie Heimat und Tradition. In Südtirol braucht man dafür nicht auf das Oktoberfest zu warten. Bereits jetzt tummeln sich auf den Kirchtags-, Musik- und Wiesenfesten im Land die Landtagskandidaten aller Parteien – am liebsten in Dirndl, Lederhose und Trachtenjanker. Es ist halt auch Wahlkampf-Zeit.
Die SVP setzt dem Ganzen jetzt noch eins drauf: Eines ihrer Wahlgeschenke ist ein roter Schurz mit kleinem weißem Edelweiß – gewissermaßen eine Neuinterpretation des blauen Schurzes, Kennzeichen eines jeden echten Tirolers. Was sich die Volkspartei sonst noch alles für diesen Wahlkampf hat einfallen lassen, hat Alexandra Aschbacher recherchiert – die Geschichte dazu gibt es ab Seite 24.
Für viele Bauern im Land ist es nach wie vor selbstverständlich, den blauen Schurz zu tragen. Ohne das knielange Kleidungsstück fühlen sie sich irgendwie nur halb angezogen. Leo Tiefenthaler ist die Ausnahme. Der 57-Jährige, der seinen eigenen Obst- und Weinbaubetrieb bewirtschaftet, trägt oft Anzug, gerne auch mit Krawatte. Der Unterlandler ist schon lange nicht mehr nur Landwirt, sondern auch Obmann des Südtiroler Bauernbundes, Obmann der Kellerei Tramin und seit zwei Jahren auch Präsident des Wirtschaftsringes (SWR).
Wie schafft er es, alles unter einen Hut zu kriegen? Wie schwierig der Spagat ist, zeigt eine Aussage: In seiner Funktion als SWR-Präsident sagte er, dass „ein bestimmter Ausbau des Bozner Flughafens notwendig sei“. Im Bauernbund kam das weniger gut an. In unserer Titelgeschichte durchleuchtet Karl Hinterwaldner den Mann, seine Positionen und Pläne – ab Seite 16.
Als Kontrastprogramm zur Bauernwelt empfehlen wir die Reportage von Barbara Bachmann über die süditalienischen Olivenbauern. Seit fünf Jahren frisst sich das Bakterium Xylella durch die Olivenhaine. Während die meisten Bauern ihm traurig, aber tatenlos zuschauen, kämpft der Landwirt Giovanni Melcarne gegen das Baumsterben. Eine beeindruckende Geschichte über die wirtschaftliche und emotionale Bedeutung der Olivenbäume für Süditalien (ab Seite 38).
Wie das „Guggenberg-Drama“ (ff 33/2018) ausgeht, weiß man nicht. Derzeit versuchen die Liquidatoren, einen möglichst hohen Preis für die Brixner Kuranstalt zu realisieren. Dass man es neben ökonomischen auch mit familiären Problemen zu tun hat, zeigt das Interview, das Norbert Dall’Ò mit Eberhard von Guggenberg geführt hat (ab Seite 30). Dass dabei jedes Wort auf die Waagschale gelegt wird, zeigt ein Detail: Das Oberhaupt der „Mailänder Linie“ war beim Gespräch flankiert von Rechtsanwältin Verena Köllensperger und Wirtschaftsprüfer Alexander Tauber.
Wir wünschen Ihnen eine anregende ff-Lektüre!
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