Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Aus ff 22 vom Donnerstag, den 28. Mai 2020

 Markus Larcher
Die Welt steht seit Corona kopf: Wer bis vor Kurzem sein Gesicht vermummte, kämpfte nicht mit offenem Visier. Inzwischen gehört der Anblick von Corona-Masken zum Straßenbild. Auch wir Journalisten sind uns der Verantwortung bewusst und sind bei unseren Recherchen mit Mundschutz unterwegs: Im Bild Markus Larcher. © Alexander Alber
 

wenn man über die Folgen von Corona nachdenkt, dann gilt es, auch die Mobilität im Blick zu behalten. Die Pandemie könnte durchaus ein Beschleuniger für ein neues Verkehrskonzept sein. Der motorisierte Individualverkehr ist in den Wochen der Ausgangssperre radikal zurückgegangen. Es war angenehm still. Jetzt aber, mit den Lockerungen, erlebt das Auto ein seltsames Comeback – in Bahn und Bus fährt das Virus ja besonders gerne mit. Wie kann man verhindern, dass Menschen aus den öffentlichen Verkehrsmitteln plötzlich in den privaten PKW wechseln? Es gilt jetzt, die Verkehrsstrategie neu zu denken, und Busse, Bahn und Fahrräder wieder attraktiv zu machen.

Vor diesem Hintergrund liest sich die Geschichte von Karl Hinterwaldner über „Alperias Schlitten“ besonders interessant (ab Seite 20). Darin beschreibt er die Autoflotte der Führungskräfte der Landesenergiegesellschaft Alperia. Darunter grundsätzlich zwar Elektroautos, trotzdem handelt es sich um große Mercedes, Audis und Teslas. Alperia-Mitarbeiter finden das nicht gut, vor allem weil viele der Führungskräfte in nächster Nähe wohnen und die Strecke zur Arbeit leicht mit dem Fahrrad zurücklegen könnten.

Wahrscheinlich erahnen wir erst allmählich, was die Auswirkungen dieser Pandemie sind und was da noch alles auf uns zukommt. Nicht unterschätzen sollten wir dabei das Ausmaß dessen, was Corona mit unserer Seele macht. Schwere Krisen ziehen oft Gewalt, Suizide, Depressionen nach sich. „Der Beratungsbedarf in der Notfallpsychologie“, sagt Erwin Steiner im ff-Interview, „ist massiv angestiegen, wir haben in gut zwei Monaten unser durchschnittliches Jahrespensum absolviert.“ Steiner ist Nofallpsychologe in Brixen und einer der Gesprächspartner von Markus Larcher für die aktuelle Titelgeschichte (ab Seite 26). Er spürt darin der Frage nach, wie diese Krise unsere Psyche belastet, wie die psychischen Folgen der Pandemie sind. Und: Wie wird uns die Corona-krise verändern?

Einige virenfreie Geschichten finden Sie freilich auch in dieser ff-Ausgabe, unter anderem in der Kultur (ab Seite 46). Darin geht es um eine Ausstellung in Innsbruck, die eine Bildergeschichte über die Grenze zwischen Österreich und Italien zeigt. Andrej Werth hat dafür unter anderem mit dem Fotografen Carlos Spottorno geskypt. Spottorno ist ein Spanier, der seine Fotos so bearbeitet, dass sie wie Graphic novels ausschauen. Er hat zwei Mal einen World Press Photo Award bekommen, 2019 den European Press Prize.

Wir wünschen Ihnen eine anregende ff-Lektüre

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  • Georg Mair

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