Literatur – Monika Helfer
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
Aus ff 04 vom Donnerstag, den 27. Januar 2022
loslassen ist nicht so einfach. In der Vergangenheit leben leider schon. Wer aber vom Alten sich nicht lösen kann, wird nie richtig nach vorne schauen können, ja, vielleicht verpasst er sogar wunderbare Möglichkeiten. Das ist im privaten Leben nicht anders als im Beruf oder in der Politik. Beobachten kann man das sehr gut in der SVP. Seit Jahren treibt die Sammelpartei die Frage um, wie sie sich am besten erneuern könnte. Um Neues angehen zu können braucht es oft klare Schnitte. Das tut weh, muss aber sein. Die Veröffentlichung der Abhörprotokolle der Sad-Affäre (ff 50/21 und 51/21) wirft zwar ein schlechtes Licht auf die SVP, könnte zugleich aber die Chance für einen Befreiungsschlag sein.
Norbert Dall’Ò zeichnet in der Titelgeschichte das Psychogramm einer verstörten und zerstrittenen Partei. Er beschreibt den Showdown um die Macht unterm Edelweiß. Und zeigt auf, wie es kommen konnte, dass die Partei sich in den vergangenen Jahren verzwergt hat (ab Seite 14).
Auf die ff-Enthüllungen über die Abhörprotokolle rund um die Sad-Ermittlungen haben schon viele Medien Bezug genommen (gar einige, ohne dabei die ff zu nennen). Die Dolomiten behaupteten unlängst im Interview mit SVP-Obmann Philipp Achammer, das Öffentlichmachen der Akten sei verboten. Dem ist nicht so. Die Ermittlungen sind abgeschlossen, die Informationen von öffentlicher Relevanz, Privates blieb außen vor.
Siegfried Giuliani hingegen lässt los. Der Chefredakteur der ORF-Nachrichtensendung Südtirol Heute tritt in den Ruhestand. Der 66-Jährige nennt sich selbst einen TV-Dinosaurier und sagt: „Unser Anspruch ist es, nicht nur Nachrichten zu bringen, sondern auch gute Geschichten zu erzählen. Man muss im Fanblock sitzen, nicht in der VIP-Lounge.“ Mit Giuliani, schreibt Markus Larcher, verabschiede sich ein Stück Südtiroler TV-Geschichte. Völlig offen sei aber noch das Rennen um die Nachfolge (Seite 31).
Es war ein eindrücklicher Besuch auf der Intensivstation des Landeskrankenhauses Bozen. Andrej Werth wollte wissen, was ein Krankenhausbett zu einem Intensivbett macht. Seit Beginn der Corona-Pandemie redet alle Welt von Intensivbetten – aber was genau ist das? Wie viele Pflegekräfte braucht es, wie viel Geld kostet es, wie viel Technik braucht es? „Bevor man den Menschen sieht“, so Werth, „sieht man die Maschinen, an denen er hängt, die Kabel und Katheter, die in ihn hinein und aus ihm heraus führen.“ Es sind Bilder, erzählt Werth, die einen nicht loslassen (Seite 24).
Zwischen verschiedenen Welten bewegt sich auch der Schriftsteller Carmine Abate. Aufgewachsen ist er in Kalabrien, gearbeitet hat er lange in Deutschland und sich dann im Trentino niedergelassen. Er sagt: „Jeder neue Ort nimmt dir nicht etwas, sondern gibt dir etwas.“ Abate ist in Italien ein anerkannter Schriftsteller. Georg Mair hat mit dem 67-Jährigen über dessen neuen Roman geredet und darüber, was leben in mehreren Kulturen bedeutet (Seite 38).
Wir wünschen Ihnen eine anregende ff-Lektüre
Weitere Artikel
-
Die Summe der Leben
Carmine Abate, Schriftsteller aus dem Trentino, ist einer der erfolgreichsten Autoren in Italien. In seinem neuen Roman leuchtet er exemplarisch 100 Jahre und drei Leben aus.
-
Im Kampf gegen Satan
Die Sekte im Tauferer Ahrntal: Titelgeschichte in ff 3/22
Leserkommentare
Kommentieren
Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.