Der Präsident des Speck-Konsortiums würde gerne musizieren können und liebt den Geruch in einem Specklager. Ihre erste ...
Flaneid
Es geht weiter!
Aus ff 13 vom Donnerstag, den 01. April 2021
Nach Entbehrungen und Stillstand die Hoffnung: Nur noch ein paar Schritte. Doch da tauchte eine neue Gruppe von Demonstranten auf ...
Und noch eine Runde!“, munterte der Fußballpräsident den Stürmer auf, der einem Traktor durch das Dorf und die Felder nachrannte. Mannschaftssport war zwar noch nicht erlaubt, aber Einzeltraining schon. „Etwa schon müde, Mädels?“, spornte er zwei Verteidiger an. Ein bisschen Verachtung hebt die Moral, dachte er. Treter war bei den Fallschirmspringern gewesen, allerdings nur eine Woche, weil er sich beim ersten Sprung die Ferse verstaucht hatte. Aber das war nur ein Detail. „Weicheier!“, rief er ihnen nach und ließ sie alleine. Er machte sich zum Hintereingang des Unterganzner auf.
Im Gasthaus herrschten höflichere Umgangsformen. „Entschuldigung“, sagte Sozialassessorin Milli Minder, als sie im Vorbeigehen bei Olga Klotz, der regierenden Vizebürgermeisterin, anstieß. Um „Entschuldigung“ ersuchte auch Schützenhauptmann Karl Treffer, als er sich zu Klotz setzte. Normalerweise setzte er sich und gab zunächst ein paar Befehls-töne von sich. „Entschuldigung“, sagte auch Wirt Coelestin Unterganzner, als er den Henkel von Klotz’ Kaffeetasse in die richtige Richtung drehte.
„Spinnen die jetzt alle?“, fragte sich Klotz. In einem Dorf, in dem es bei Diskussionen statt Beschwichtigungen Heftpflaster gab, waren solche Höflichkeiten nicht normal. Sie selbst, mit ihrer Körpergröße und ihren starken Armen, hielt Geben ebenfalls für seliger denn Nehmen und hatte damit schon öfter den Bürgermeister zur Vernunft gebracht. Was war da los?
Dann klingelte es bei ihr. Sie sah auf dem Handy die Facebook-Nachricht von Bürgermeister Daniel Grüner: Er entschuldigte sich beim Volk für alle Coronamaßnahmen, die Entsagung und Leid gebracht hätten. Sie rief ihn an: „Spinnst du jetzt auch?“ „Die Merkel hat’s auch getan“, verteidigte er sich. „Ja, für was denn?“, fragte Klotz. „Sie hat etwas Schlimmes angekündigt, es rechtzeitig zurückgenommen, und nichts ist passiert. Ist das ein Grund, sich zu entschuldigen?“ „Weiß nicht, aber es kommt gut an“, meinte Grüner. „Wenn du meinst“, antwortete Klotz und legte grußlos auf.
Da kam eine weitere Nachricht. Irgendjemand, hieß es da, würde für diesen Tag noch eine Spontan-demo auf dem Hauptplatz organisieren, ohne Anmeldung und Maskenschutz, gegen die Politiker, gegen Tests, Impfung und Einschränkungen. Die Ausrichtung der Demo war Klotz egal, aber nicht der Austragungsort, denn von den vielen würde vielleicht einer bemerken, dass sie sich illegal im Gasthaus aufhielt. „Sollten wir uns entschuldigen?“, fragte Minder nach der geeigneten Strategie. „Im Gegenteil“, antwortete Klotz.
„Wir lassen uns nicht mehr zum Narren halten!“, stand auf einem Transparent, und auf einem anderen „Wir schmeißen alles hin!“ Es waren nicht die Negationisten jeglicher Couleur, sondern Klotz und der Gemeindeausschuss, die da ihre Sprüche in den Himmel hielten. Noch bevor die andere Demo ihr Maul aufreißen konnte, schleuderten ihr die erzürnten Gemeindeverwalter ihre Drohungen entgegen: „Wir lassen uns nicht mehr alles heißen! Wir lassen es. Dann ist alles zu, Schulen, Straßen, Schwimmbad, keine Müll-abfuhr, kein Krankenhaus. Wollt ihr das?“ Das feindliche Lager löste sich schnell auf.
Im Unterganzner gab der Wirt den Siegern eine Runde aus. „Wichtig ist jetzt nur, dass wir bald öffnen können“, sagte er, „meint ihr, es klappt nächste Woche?“
Draußen fuhr der Traktor mit den drei Fußballern dahinter über den Platz. „Und jetzt noch einen Spurt und auf den Anhänger“, rief ihnen Treter zu, „dann fahren wir euch heim.“ Mit dem letzten Atem beschleunigten die Kicker, der Traktor aber noch mehr. „Im Krieg gibt es keine Planungssicherheit“, bläute ihnen Treter ein, „merkt euch das! Es geht weiter!“
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