Vinschger Rinder, die den Winter in einem Unterlandler Weingut verbringen. Von einer Kooperation, die versucht, was bisher meist nur besprochen wird: Regionale Kreislaufwirtschaft.
Flaneid
Ein Fahrrad ist umgefallen
Aus ff 15 vom Donnerstag, den 15. April 2021
In Flaneid ist ein Fahrrad umgefallen. Mitten auf dem Hauptplatz! Ermittler, Dorfpolitik und öffentliche Meinung kümmerten sich um das außergewöhnliche Ereignis.
Es war rein gar nichts los. Gemeindepolizist Ernst Putz stand auf dem Hauptplatz und konnte keine Falschparker ermitteln. Am Gasthaus Unterganzner lehnten ein paar Fahrräder und – halt! – eins lag auf dem Boden. Putz näherte sich. Er sah ein paar Bluttropfen auf dem Boden. Der Tag versprach interessanter zu werden. Putz stellte fest, dass das Fahrrad kein Kennzeichen hatte. Der Eigner war also erst zu ermitteln. Falls es noch einen gab. Wenn nicht, war auch gegen einen Täter zu ermitteln, zunächst einmal wegen Verschwindenmachens einer Leiche oder wie der entsprechende Paragraph hieß.
„Ja, Putz, ermittle du“, gab Olga Klotz, die regierende Vizebürgermeisterin, Anweisung von ihrem Handy aus, „ich erwarte stündlich, äh, sagen wir täglich, Bericht.“ Alle im Unterganzner schauten sie fragend an. Sie erzählte ihnen, was Putz bisher ermittelt hatte. „Weiß jemand etwas? Du?“ Sie fragte Fußballpräsident Hermann Treter hauptsächlich deshalb, weil er sie gerade anschaute. Er stand mit dem Rücken zum Budel, scheuerte mit dem rechten Schuh am linken Hosenbein und sagte: „Ich? Nein!“ Auch die anderen schauten dann wie zufällig von Klotz weg, auf die Uhr, ins Glas oder durchs Fenster. Niemand wollte mit so einem Vorfall zu tun haben, der vielleicht kriminell, mindestens aber peinlich war.
Die Nachrichtenlage war in den letzten Monaten dünn gewesen. Insofern waren die Flaneider jetzt wieder froh um ein Maulvoll. Und so wurde am Budel Ursachenforschung betrieben. Migration, Klimawandel, Erdumdrehung ... „Statistisch gesehen fällt in Flaneid öfter ein Rad um als in China, im Verhältnis zur Einwohnerzahl natürlich“, wandte Sozialassessorin Milli Minder gegen allzu forsche Spekulationen ein. Das Argument fand keine Anhänger. Statistisch gesehen hätte es auch Bill Gates mit seinen Marsmenschen sein können, die steckten ja fast überall dahinter.
„Was tut ihr hier? Heute ist Ruhetag!“ Bürgermeister Daniel Grüner stand plötzlich im Eingang. „Wir beraten natürlich über den Fall draußen“, antwortete Klotz blitzschnell. „Und draußen ist es kalt“, assistierte ihr Wirt Coelestin Unterganzner. „Gut, aber so eine Beratung muss geordnet verlaufen“, sagte Grüner und stellte zwei Stühle in die Mitte. Einer war für den Hausherrn, einer für den Gemeindeherrn. Klotz zog den Stuhl unter Grüners Hintern weg, um sich selber hinzusetzen. Sie hieß nicht Uschi von der Leyen. Grüner wich zum Budel aus und schob Treter beiseite, um angemessen Platz zu haben.
Treter humpelte zwei Schritte weiter und kratzte sich wieder am linken Hosenbein. Klotz fiel das auf. Auch zwei Tropfen Blut auf seinem linken Schuh. „Hast du dir wehgetan?“, fragte sie. „Ich? Nein! Ich fall’ doch nicht vom Fahrrad!“ „Ich hab dich nicht nach dem Fahrrad gefragt“, antwortete Klotz, und nach ihr schauten auch alle anderen zu Treter. Und schüttelten den Kopf.
Ein Fußballpräsident, der vom Rad fällt, war nicht tragbar. Klotz dachte noch weiter: Es würde auch die Frage aufkommen, wer den Verein finanzierte. „Nichts davon kommt an die Presse, einverstanden?“, drohte sie. Vorsichtshalber rief sie den Flaneider Boten an und erinnerte den zuständigen Redakteur an die Privacybestimmungen.
Der Flaneider Bote hielt sich natürlich an die Bestimmungen und lieferte wieder ein Meisterstück schwarzer Chronik, wie man es mittlerweile im ganzen Land gewohnt war: „Irgendwo ist irgendetwas passiert. Im Einsatz standen die Freiwillige Feuerwehr Harpf und der Löschzug Grünwald, das Weiße Kreuz, die Bergrettung, ein TV-Team von ‚Chi l‘ha visto’ und die Taucher mit der Hundestaffel. Die Ortspolizei hat die Ermittlungen zum Tathergang aufgenommen.“
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