Flaneid

Gefahr Langzeitunzufriedenheit

Aus ff 16 vom Donnerstag, den 22. April 2021

Der Unmut war groß, die Forderungen klar. Waren sie aber auch ehrlich?

Mit nichts sind sie zufrieden!“ Pfarrer Elmar Kaslatter spülte den bitteren Nachgeschmack der Wandlung mit einem Glas Weißen hinunter. Wie andere, die im Dorf mehr oder weniger etwas zu sagen hatten, saß auch er im eigentlich geschlossenen Gasthaus -Unterganzner. Er war enttäuscht. Zuerst waren die Eltern aufgeschlossen gegenüber der neuen Idee. Gut angekommen war vor allem, dass die Elternvorbereitungsabende auf eine einzige Videokonferenz reduziert wurden. Er verzichtete damit auf den Machthebel, verlorene Schafe wieder einmal in die Kirchenbänke zu zwingen.

Die Videokonferenz verbuchte er als Erfolg. Gut, einige konnten aus Termingründen nicht teilnehmen, andere mussten wegen schlechter Verbindung passen, manchen fehlte Kamera und/oder Mikrofon, wieder andere hatten wieder andere Gründe. Aber die drei Übriggebliebenen schienen zufrieden. Dann kam der große Tag im neuen Kleid: die Take-Away-Erstkommunion! „Das ist doch keine Erstkommunion!“, hatte sogar Pfarrgemeinderats-präsidentin Rosl Kranz protestiert. Die anderen waren wortlos gegangen.

„Und, zufrieden?“, fragte Olga Klotz, die regierende Vizebürgermeisterin, Coelestin Unterganzner, den Wirt, nachdem sie ihm das neueste Regelwerk aus dem Landhaus vorgelesen hatte. „Zufrieden?“, raunzte der zurück, „vorher war die Frage, ob jemand mit oder an Covid gestorben ist, jetzt sagen sie, wir dürfen unter Umständen öffnen oder mit Umständen.“ Die Umstände bestanden darin, dass nun ein Wattestäbchen nötig sein würde, um ein Gastlokal zu betreten, so eines, wie es Bauern-obmann Emil Harasser in der Nase stecken hatte, als er das Lokal betrat. „Und wo soll ich das jetzt hintun?“, fragte er.

Es zeichneten sich zwar große Öffnungen ab, aber die Bürger waren immer noch in der Trotzphase, der Unmut in Schwung. Nichts ging mehr gut. Vor allem nicht der Jugend, die – wie alle anderen Druckgruppen – am meisten unter den Einschränkungen gelitten hatte. Sie machte seit Monaten mit Pressemitteilungen darauf aufmerksam, dass sie unter fehlender Sozialisation, pädagogischer Isolation und anderen Fachbegriffen litt, und machte damit deutlich, dass es ihr hauptsächlich um ihre Erziehung ging.

Klotz hatte Mirko Pickel, den aufmüpfigsten Flaneider Jugendlichen, ins Unterganzner bestellt, um ihm die angekündigte Demo auszureden. „Wäre der pädagogische und psychologische Notstand behoben, wenn wir die Disko wieder öffnen würden?“, fragte sie einfühlsam. „Ja“, war die knappe Antwort. Die Frage war zwar nicht gelöst, aber geklärt. Sie verabschiedete ihn mit einem kräftigen Ellbogengruß, den er mehr spürte als sie. Ihr waren in letzter Zeit schon mehrere aufgefallen, die Schmerzen an dieser Stelle hatten. Daran erkannte man deutlich, dass die Pandemie aus der Dorfgemeinschaft eine Ellbogengesellschaft gemacht hatte.

Klotz konnte mit dem Besprechungsergebnis nicht ganz zufrieden sein. Eine Demo war abgewendet, aber draußen auf dem Platz tummelten sich Menschen, die gar nichts angemeldet hatten. Klotz erkannte die Quarantänekritiker („Wir wollen raus!“) und die verhinderten Gasthausbesucher („Wir wollen rein!“). Und dann sah sie die Maskengegner („Runter mit ihnen!“). Das würde wieder Schlagzeilen bringen, und irgendetwas würde an der Politik hängen bleiben.

Sie rannte hinaus und stoppte die Anführer: „Das ist illegal, so ohne Masken!“ „Ja, und?“, kam die Antwort. „Das ist strafbar!“, insistierte sie. „Ja, und?“, hieß es abermals. Erst zum Schluss fiel ihr das Totschlagargument ein: „Wisst ihr, dass mit den Strafgeldern die Politikergehälter gezahlt werden?“ Das wirkte sofort.

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