Flaneid

Ungeschützte Heimatliebe

Aus ff 24 vom Donnerstag, den 17. Juni 2021

Die Flaneider Schützen hatten sich zu Herz Jesu heuer selbst übertroffen. Zum Leidwesen der Feuerwehr und zum Spott der anderen.

So eine bodenlose Frechheit!“ Schützenhauptmann Karl Treffer feuerte die Samstagsausgabe des Flaneider Boten mit Verachtung in die Ecke. Alle im Gasthaus Unterganzner drehten sich zu ihm um. Alles war bisher gut gegangen. Die Bergfeuer hatten gelodert und die Heimatliebe der Bevölkerung bezeugt, die rote Beleuchtung der Elektromasten war, na ja, auch ganz gut gegangen, das Große Thema war wieder auf der Tagesordnung – bis ihm jemand den Leitartikel gezeigt hatte, geschrieben vom Chefredakteur, einem der beiden „katholischen -Cousins“, wie sie in Flaneid genannt wurden. Hin und wieder watschten sie den Bürgermeister, das war Treffer egal. Aber das da nicht. Da wurde die Ehre der Freiheitskämpfer verunglimpft, so, als hätte man unsere Autonomie und von da abwärts alles – deutsche Schule, Brauchtum, Hagelversicherung … – nicht den Bomben, sondern irgendwelchen windelweichen Diplomaten zu verdanken.

Das hatte ihm dieses schöne, denkwürdige Herz-Jesu-Wochenende versaut. Na gut, nicht alles war gut gegangen. Da in der Umgebung Flaneids kein weitum sichtbarer Strommasten zur Verfügung stand, hatte Treffers Truppe – auf seinen Befehl: „Ihr findet schon etwas“ – den Transformatorturm hinter der Gemeinde rot angeleuchtet. Und damit war die Erinnerung an die Feuernacht in der Versenkung verschwunden. Ein Beispiel, wie die ungeschützte Liebe zur Heimat auch zu Fehlgeburten führen konnte.

Auch das Bergfeuer hatte nicht so gelodert wie geplant. Sondern viel weiter.

Als hätte er Treffers Gedanken gelesen, störte Feuerwehrkommandant Florian Lösch diese mit einer Zwischenfrage: „Wie habt ihr das angestellt?“ Lösch war ziemlich verärgert, weil das Feuer der Flaneider Schützen dermaßen außer Kontrolle geraten war, dass die Flaneider Wehren andere Brandbekämpfer aus dem ganzen Tal zu Hilfe rufen musste. Eine Schmach. „Da hätten wir einen Hubschrauber gebraucht“, sagte Lösch und handelte sich von Finanzassessorin Hedwig Helfer ein Vogelzeichen ein.

Lösch – er war jetzt mitten in den Ermittlungen zur Brandursache – wiederholte die Frage: „Wie genau habt ihr das angestellt?“ „Mah“, antwortete Treffer, „wir haben halt Blechdosen mit Klopapier und Nafta aufgestellt und …“ „Und wie habt ihr da genau das Adlermuster zustande gebracht“, bohrte Lösch, „ich meine, das könnt ihr vom Boden aus ja nicht sehen.“ „Mit GPS, Satellitenpeilung“, antwortete Treffer stolz, denn er hielt etwas von der Kombination von Tradition und Moderne, von Laptop und Lederhosen, elektrischem und politischem Widerstand.

„Unter Andreas Hofer hat es das nicht gegeben“, meinte Bauernobmann Emil Harasser, der den Schützen nur Tradition zutraute und zugestand. „Hätten sie aber brauchen können“, meinte Treffer. „Dann hätten es die Franzosen auch schon längst gehabt, wenn nicht sogar die Atombombe“, sagte -Coelestin Unterganzner, der Wirt. Ausgerechnet der! Unterganzner weigerte sich seit Wochen, Treffers Kreditkarte mit federkielgestickten Ziffern anzunehmen, immer wieder mit irgendeiner technischen Ausrede. Treffer kam nicht dazu, ihm etwas Gehöriges zu antworten, da kam schon wieder Harasser: „Ihr hättet besser einen alten Traktor-reifen anzünden sollen, wie früher, den verbläst es nicht und das Feuer wird schön rund.“

Treffer ärgerte das. Niemand verstand, dass Tradition und Moderne zusammengehörten, dass ein freies Volk sich auch entwickeln musste. Sie wollten die Schützen einfach in die Museumsecke stellen.

„Und Klopapier hat’s unterm Hofer auch nicht gegeben“, schoss Harasser nach. Jetzt gab Treffer auf. Diesmal nicht ungern. „Stimmt“, sagte er, zerriss den Flaneider Boten in praktische Viertel und begab sich damit aufs Klo.

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