Flaneid

Das gedachte Denkmal

Aus ff 38 vom Donnerstag, den 23. September 2021

Der Altbürgermeister wurde rund und hatte Geburtstag. Die Gemeinde wollte ihn nicht hochleben lassen, hatte aber fürs Nachleben Großes vor.

Guten Morgen allerseits“, sagte Altbürgermeister Josef Palander, als er das Gasthaus Unterganzner betrat. Dann kamen die Einzelgrüße: „Du, servus, du.“ Der alte Dorfkaiser ließ sich in letzter Zeit auffällig oft im Gasthaus blicken und wurde auch noch leutselig. Vorher war er lange Zeit nur wegen der Kritik an seinen unfähigen und undankbaren Nachfolgern aufgefallen. „Morgen“, sagte er denn auch knapp, als er am Tisch des Gemeindeausschusses vorbeiging.

„Was ist denn heute mit ihm?“, fragte Bürgermeister Daniel Grüner. „Normalerweise raunzt er immer, wenn er uns sieht“, ergänzte Olga Klotz, die regierende Vizebürgermeisterin. Sie kamen erst darauf, als er an einem anderen Tisch jemandem gut hörbar sagte: „Nicht einmal eine Geburtstagsfeier haben sie für mich geplant!“ Das war es also!

„Meint ihr nicht, wir könnten ihm eine würdige Feier organisieren?“, fragte Kulturassessorin Klara Teutsch, „immerhin hat er viel für Flaneid getan.“ „Das hab’ ich auch“, protestierte Grüner. Klotz tät-
schelte seine Hand: „Wenn du tot bist, kriegst du eine Straße.“ „Aber eine kleine Feier?“, beharrte Teutsch. „Spinnst du? Dann haben wir den Rechnungshof am Hals“, warnte Finanzassessorin Hedwig Helfer. „Wir könnten ihn zum Ehrenbürger machen“, schlug Sozialassessorin Milli Minder vor. „Nur wenn er mit dem Raunzen aufhört“, sperrte sich der Bürgermeister.

Olga Klotz hatte die Lösung: „Wir lassen ein Kommuniqué raus und gratulieren ihm öffentlich.“ „Aber nicht zu viel Honig“, befahl der Bürgermeister. „Ich weiß schon, wie man zwischen den Zeilen schreibt“, beruhigte ihn Klotz.

Das Ergebnis hing für eine Weile an der Gemeindetafel. Da stand unter anderem, dass er „sein Bestes gab“ (gemeint war: mehr konnte er nicht), dass er „entscheidungsfreudig“ war (= er entschied immer allein) und dass er „für die Bürger immer erreichbar“ (= immer im Gasthaus) war.

„Das hättet ihr euch sparen können“, kam Palander mit dem heruntergerissenen Zettel ins Unterganzner, „ich weiß schon, wie man zwischen den Zeilen liest.“ Fünf Unschuldslämmer blickten ihn an.

„Horch, Josef“, sagte der Bürgermeister, „wir wünschen dir wirklich von Herzen alles Gute, aber als öffentliche Hand können wir dich nicht hochleben lassen, wenigstens nicht zu Lebzeiten, du kennst ja den Rechnungshof.“ „Ihr Hosenscheißer wollt also warten, bis ich tot bin!“, warf ihnen Palander vor. „Sieh es mal von der anderen Seite“, argumentierte der amtierende Bürgermeister, „dann, äh, wenn es so weit ist, dann könnten wir etwas machen, dass du den Flaneidern auf immer im Gedächtnis bleibst.“

Palander setzte sich zu ihnen. Es begann ihn zu interessieren. „Möchtest du ein Denkmal? Ein Reiterstandbild auf dem Kreisverkehr?“, fragte Milli Minder. „Oder ein Mausoleum?“, schlug Klara Teutsch vor. „Besser vielleicht ein Museum“, meinte Grüner, „mit so Sachen von dir drin, zum Beispiel die Füllfeder, mit der du den Raumordnungsvertrag unterschrieben hast.“ „Das war ein Handschlag“, korrigierte ihn Palander.

Für Klotz liefen die Dinge nun aus dem Ruder. Das musste sie stoppen. Indem sie noch mehr übertrieb: „Klotzen, nicht kleckern!“, mahnte sie, „wir brauchen da schon etwas, das man von Weitem sieht.“ „An was denkst du?“, freute sich Palander. „Das wird eine Überraschung.“ Man einigte sich auf die Überraschung.

„Leider hab’ ich das nicht durch die Baukommission gekriegt“, bedauerte Klotz, „für so etwas ist kein freies Plätzchen im Bauleitplan. Und außerhalb vom Dorf sagt das Land Nein, da musst du dich bei denen beschweren.“ Sie legte Palander die Pläne hin. Er sah da etwas Dreieckiges und drunter die Beschriftung „Palander-Pyramide“. Ja, es wäre schön gewesen.

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