Flaneid

Wert und Volumen des Unrats

Aus ff 43 vom Donnerstag, den 28. Oktober 2021

Die Gemeinde hatte kein Geld mehr. Die Bürger hatten noch ein bisschen. Aber es war extrem gefährlich, sich davon etwas zu holen.

Es reicht!“, sagte Wirt Coelestin Unterganzner, als er in der Zeitung von der Absicht des Landes las, die Steuern zu erhöhen. „Und ihr da drüben gebt gefälligst auch Ruhe!“ Er zeigte mit dem Finger auf den Tisch, an dem der Gemeindeausschuss saß. Der sah kurz auf und steckte dann wieder die Köpfe zusammen.

„Es reicht nicht!“, flüsterte Finanzassessorin Hedwig Helfer. Das Pandemiejahr hatte auch die öffentlichen Kassen zu Sturz gebracht, die Decke war auf allen Seiten zu kurz. „Wir könnten den Irpef-Zuschlag erhöhen“, schlug Helfer vor. „Da zahlen wieder nur die üblichen Verdächtigen“, wehrte sich Sozialassessorin Milli Minder, „sollen auch einmal die Steuer-hinterzieher und die Bauern etwas beitragen.“ „Die Gis also“, meinte Vizebürgermeisterin Olga Klotz. Das unsympathische Kürzel für die Gemeindeimmobiliensteuer zischte, sodass auch Unterganzner es hörte. „Wenn ihr die Gis hinaufdreht, dann widme ich zwei meiner Hotels in Urlaub auf dem Bauernhof um“, drohte er, „mein Jüngster studiert Bauer.“

Es würde schwierig werden. „Und wenn wir mal einen Versuchsballon steigen lassen würden? Schauen, wie die Leute reagieren?“, flüsterte Bürgermeister Daniel Grüner. Sie steckten wieder die Köpfe zusammen. Nur ein Wort wurde laut genug gesprochen: „Kindergartengebühr“.

Am nächsten Tag besetzten Mütter und -Kinder den Dorfplatz, mit Transparenten gegen die drohende Erhöhung der Kindergartengebühr. Angestachelt wurden sie von einer Schlagzeile im Flaneider Boten, der gern auf Grüner schoss: „Bürgerfeind Grüner bedroht kinderreiche Familien, die Hoffnung Flaneids!“ Grüner lief auf den Platz und schwor dreimal, dass die Gebühr nicht erhöht würde, dass man so etwas gar nie im Sinn gehabt habe. Und kein Hahn krähte.

Das nächste Gerücht, die Preiserhöhung für Gemeindebrennholz, wurde über die Hintertür ins Freie gelassen. Aber der Flaneider Bote hörte es wieder als erster: „Bürgermeister lässt Flaneider erfrieren. Und das bei den heutigen Gaspreisen!“ Auch die Friedhofsgebühr war gefälligst unberührt zu lassen: „Grüner hat keinen Respekt vor den Toten!“

Die ständigen Schüsse vor den Bug zeigten Wirkung. Die Flaneider hörten auf, den Bürgermeister zu grüßen, geschweige denn, ihm ein Glas zu spendieren. Der Ausschuss dachte angestrengt nach, wie er den Bürgern etwas Geld abtrotzen konnte, ohne dass sie etwas merkten.

Sie gingen alle Möglichkeiten durch und kamen schließlich – auf den Müll! „Wenn wir die Müllgebühr um 1 Cent hinauftun, dann klingt das nach gar nichts, dann zucken sie nur mit den Schultern“, meinte Helfer. „Wie viel zahlen sie derzeit?“, fragte Klotz. „4 Cent, aber das weiß keiner.“

Die Sache sah halbwegs sicher aus, aber man wollte dennoch wieder einen Versuchsballon starten und schickte wieder ein Gerücht in die Luft.

Diesmal war es Frieda Unterfertinger von der direkten Demokratie, die mit offenen Flügeln auf den Ausschusstisch zuging: „Ihr seid alles nur Sklaven der Mülllobby, die Bürger werden das nie und nimmer akzeptieren.“

Unterfertinger stellte eine Podiumsdiskussion auf die Beine, bei der sich Recyclinghofwärter Fritz Abfalterer mit Kurt Besserwieser messen musste, einem Professor für ganzheitliche Physik. „Es ist nämlich ein Irrglaube, dass ein Kilo aus tausend Gramm besteht, das wollen Ihnen nur die Konzerne weismachen“, sagte der Professor und es stellten sich Fragen ein nach der unsichtbaren Hand von Bill Gates, nach den Silberstreifen am Flugzeughimmel und nach den Impfschäden eines Wolpertingers.

Auch das noch! Olga Klotz hatte genug. Sie ging nach vorn und sagte dem Professor: „Wir berechnen den Müll nach Litern, nicht nach Kilo. Die Versammlung ist geschlossen.“

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