Flaneid

Nachhaltige UFOs

Aus ff 03 vom Donnerstag, den 20. Januar 2022

Die Flaneider Bürger fühlten sich von einem fremden Auge beobachtet. Und machten es blau.

Etwas lag in der Luft. Pfarrgemeinderatspräsidentin Rosl Kranz legte zuerst das halbvolle Plastiksäckchen in den Müllkübel und sah nach oben. Da war ein ganz kleiner Hubschrauber mit vier Propellern. Und mit einem Auge. Als sie umfiel, schwirrte das Ding davon. Sie kam sich hilflos vor, aber schon nach einer Minute war Feuerwehrkommandant Florian Lösch vor Ort. „Ja, ja, Rosl, jetzt beruhig dich erst einmal“, sagte Lösch, dem die Erklärungen des Opfers etwas zu phantasiereich erschienen.

Etwas später schwebte die Drohne über dem Auto von Bauernobmann Emil Harasser. Der Motor lief, denn Harasser hatte „nur kurz“ in den Zeitungsladen müssen, und das Umdrehen des Schlüssels wäre Energieverschwendung gewesen. Als er wieder einstieg, senkte sich die Drohne bis vor die Windschutzscheibe. „Was soll das?“ Die Suche nach dem Wagenheber dauerte zu lange, und der Spion war wieder weg.

Der Zufall wollte es, dass sich Kranz und Harasser später am Tag über den Weg liefen und sich gegenseitig einen eigenartigen Vorfall berichteten. Die Ratlosigkeit wich einem ungefähren Verdacht, als Handwerkerobmann Seppl Rohrer dazu kam und die Sichtung von Außerirdischen meldete. „Was hast du in dem Moment getan?“ „Nichts. Ich hab’ gerade die Zigarette auf dem Gehsteig ausgedrückt und dann habe ich über mir so ein Knattern gehört …“

Sie steckten ihre Köpfe zusammen und kamen zu dem Schluss, den Harasser schließlich zusammenfasste: „Technisch gesehen, haben wir in dem Moment drei, sagen wir, Umweltsünden begangen. Und jemand hat uns dabei ausspioniert. Das waren keine Außerirdischen, das waren Einheimische!“ Und Einheimische konnten gefährlich werden, vor allem, wenn man sie nicht kannte.

„Ist da was im Busch? Irgendein komisches Umweltprogramm?“, stellte Harasser Bürgermeister Daniel Grüner im Gasthaus Unterganzner zur Rede und berichtete ihm von den Unerkannten Fliegenden Objekten. „Nicht, dass ich wüsste“, leugnete Grüner die Drohne, „Flaneid hat nur einen Nachhaltigkeitsbeauftragten bekommen wie andere Gemeinden auch. Die Nachhaltigkeit, das ist ja unser aller Ziel.“ Damit hatte Grüner bereits seine Einstellung verraten, die er seit seiner Zeit als Umweltassessor schon hatte. Auf der Seite der Umwelt. Und damit parteiisch, wie Harasser es sah. Denn neben der Umwelt gab es auch den Menschen, und der brauchte Plastik, um Lebensmittel zu konservieren, Diesel, um sich zu bewegen, und Hagelnetze, um die Landschaft zu schützen.

Harasser schüttelte enttäuscht den Kopf und ging zu Rohres Tisch, an dem sich bereits andere UFO-Opfer versammelt hatten. Wie Harasser hatte jeder so seine Begründung, warum Umwelt nicht die einzige Priorität sein konnte. „Diese Studien sind ja nur von der Bioindustrie gekauft“, stellte Kaufleuteobmann Helmuth Kramer die Redlichkeit der Klimaforscher in Frage. „In Wirklichkeit ist das ganze Nachhaltigkeitszeug ja nur ein Plan, um uns freie Bürger unter Kontrolle zu halten!“, meinte Sportvereinsobmann Hermann Treter. Gemeinsam verstiegen sie sich in Theorien, die ein Vertrauen in die Obrigkeit und eine Mitarbeit an gemeinsamen Aufgaben schwierig machten. Die Pandemie der Körper schien dank Omikron langsam abzuflachen, die Pandemie der Köpfe war nachhaltiger. Und eignete sich eigentlich für jedes Thema.

Sie beschlossen, den Besitzer der Drohne zu ermitteln und eine Drohne zu kaufen, die der anderen nachflog.

„Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach“, zitierte Harasser einen Zungenbrecher, als er Grüner zur Rede stellte. „Dir gehört die Drohne!“, sagte er und versetzte ihm eine nachhaltige Ohrfeige. Gemeindearzt Kaspar Hertz gab die Heilungsdauer mit zehn Tagen an. „Zirka“, präzisierte er auf Nachfrage.

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