Stefano Fattor ist als Stadtrat in Bozen dafür zuständig, den Verkehr zu regeln. Dafür hat er einen Plan. Doch bei der Umsetzung steht er sich manchmal selbst im Wege.
Flaneid
Das große Ohr am Puls der Zeit
Aus ff 06 vom Donnerstag, den 10. Februar 2022
In Zeiten wie diesen war nichts mehr privat. Nicht einmal böse Gedanken.
Er saß an einem Ecktisch im Gasthaus Unterganzner, das Gesicht zur Ecke und den Rücken zu allen anderen. Altbürgermeister Josef Palander war derzeit mit niemandem gut zu sprechen. Er hatte sich in den vergangenen Wochen abschätzig über den Bürgermeister und den Gemeindeausschuss geäußert, und jemand hatte herumgeredet, was er herumgeredet hatte. Er wusste noch nicht, wer, aber er würde ihn finden. Oder war er abgehört worden? Vorsichtshalber war er mit allen beleidigt. Privatgespräche gehörten halt nicht in die Öffentlichkeit!
Ein paar Tische weiter saß der Gemeindeausschuss und konnte an Palanders Rücken seine Gedanken erahnen: Leckt mich! „Soll das ewig so weitergehen?“, fragte Sozialassessorin Milli Minder. „Wir haben ihm ja nichts getan“, sagte die regierende Vizebürgermeisterin Olga Klotz. „Vielleicht haben wir ihn zu wenig wertgeschätzt, wie man heutzutage so sagt“, meinte Bürgermeister Daniel Grüner, „aber diese Situation muss irgendwann aufhören.“ „Und wer fängt mit dem Aufhören an?“, fragte Klotz.
Grüner fasste sich ein Herz und ging zu Palander. „Du, vielleicht gibt es da unnötige Missverständnisse. Ich möchte dir nur sagen, für mich bist du der beste Altbürgermeister, den wir haben.“ Palander sah ihn an, als habe er gerade einen Blödsinn gesagt. Hatte er auch. „Logisch bin ich der beste, ihr habt ja sonst keinen Altbürgermeister, der noch am Leben ist. Weißt du was? Für mich bist du der beste Bürgermeister, den wir derzeit gerade haben. So!“ Grüner verstand, dass die Aussage – aufgrund ihrer Alternativlosigkeit – nicht als Kompliment gemeint sein konnte. Ein anderes Argument fiel ihm aber gerade nicht ein, und so ging er halt zu seinem Ausschuss zurück. „Und, was hast du ihm gesagt?“, fragte Minder. „Dass er der Beste ist.“ „Und er?“ „Du mich auch, hat er gesagt, sinngemäß.“
„Und wie kommen wir jetzt aus der Situation wieder heraus?“, fragte Minder. „Mir wurst“, sagte Klotz und trank einen Schluck. „Geh, Olga!“, mahnte der Bürgermeister und machte einen Vorschlag: „Wir finden den, der alles verpetzt hat, und hängen ihn öffentlich auf, bildlich gesprochen natürlich.“ „Du meinst nach dem Motto: Der Zeuge war der Täter?“, fragte Klotz. „Genau.“ „Könnte funktionieren“, sagte sie.
„Habt ihr sonst keine Sorgen?“, fragte Wirt Coelestin Unterganzner, dem Grüner gerade das Problem mit dem Altbürgermeister erklärt hatte. „Wieso?“, wunderte sich Grüner. Unterganzner verdrehte die Augen und neben ihm auch Handwerkerobmann Seppl Rohrer sowie Kaufleuteobmann Helmuth Kramer, der Grüner auch seinen Unmut erklärte: „Die Energiepreise! Die ganze Wirtschaft leidet unter der Stromrechnung! Ihr müsst etwas tun, dazu seid ihr da!“ „Ja, schon, eigentlich…“, stammelte Grüner. Unterganzner wechselte vom Augenrollen zum Augenzwinkern zu seinen Amtskollegen in der Wirtschaft. Jetzt war es Zeit für das schlagende Argument, das sie vorher ausgetüftelt hatten.
Unterganzner nahm Grüner beiseite zu einem Vier-Augen-Gespräch: „Wir hätten da eine Idee. Die Gemeinde hat ja ein kleines Kraftwerk.“ „Ja“, bestätigte Grüner, „das reicht aber nur für Rathaus, Feuerwehrhalle und Flutlicht auf dem Sportplatz.“ „Jetzt schon, aber wenn ihr das ein bisschen ausbauen würdet, mit effizienten Turbinen, dann könntet ihr damit auch die Flaneider Betriebe versorgen. Schwarz natürlich, sonst gilt ja der staatliche Strompreis.“
Bevor Grüner zusagen konnte, klingelte sein Handy. „Das geht nicht“, sagte der Landesrat für Strom. „Was geht nicht?“ „Dass die Gemeinde schwarz Strom liefert.“
Grüner wurde bleich: „Woher wisst ihr das? Hört ihr uns ab?“ „Das geht euch nichts an.“
Den Rest des Tages verbrachten Politik und Wirtschaft von Flaneid damit, das Lokal nach Wanzen abzusuchen.
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