Über SVP und Sad schreiben, über Spenden an die SVP nicht? Nein. Beides sind Vorgänge, die für die Öffentlichkeit relevant sind
Flaneid
Der Tag der kurzen Messer
Aus ff 13 vom Donnerstag, den 31. März 2022
Wenn der Segen im Hohen Haus schief hängt, ist man bei der Wahl der Waffen nicht mehr wählerisch.
Z
wei, drei Messer im Rücken hält ein gestandener Politiker schon aus, danach wird’s schwierig“, erklärte Olga Klotz, die regierende Vizebürgermeisterin, dem Junggemeinderat Oskar Ebenwieser die Grundlagen der Politik. Und unter den Grundlagen waren die Niederungen, aber das würde sie ihm das nächste Mal erläutern, denn sie wurde abgelenkt.
„Hornochs!“ „Leimsieder!“ An einem entfernteren Tisch im Gasthaus Unterganzner saßen Bürgermeister Daniel Grüner und Max Minder, der Obmann der regierenden Bürgerliste Harpf, diskutierten unsachlich miteinander und zeigten dabei mit dem Finger aufeinander. Seit publik geworden war, wie sich die beiden bei vertraulichen Gesprächen mit anderen gegenseitig betitelten, beschimpften sie sich vor aller Ohren. Bei den vertraulichen Gesprächen war es natürlich auch um anderes gegangen, um die Auftragsvergabe für den Gehsteig in der Haspingerstraße, um den Zaun beim Schwimmbad oder einen Sitz im Sportvereinsvorstand, aber die Flaneider Bürger interessierten sich nur für die Kraftausdrücke und die Flaneider Politiker nur dafür, war das Ganze unters Volk gebracht hatte.
Klotz, mindestens einen Kopf größer als die beiden und unglaublich stärker, näherte sich ihnen bedrohlich: „Mir ist wurst, wer angefangen hat, ihr beide hört jetzt auf, sofort!“
Von den beiden hörte man eine Weile nichts mehr. Aber Resi Wiedersacher, einzige Oppositionsvertreterin im Gemeinderat hatte alles gehört. Sie erneuerte ihre Drohung, die sie schon vor Wochen einmal ausgesprochen hatte: „Ich trete zurück. Opposition könnt ihr selber am besten.“ Ohne Opposition war das keine Demokratie mehr! Minder und Grüner war klar, dass man das verhindern musste. „Einen Sitz im Verwaltungsrat der Seilbahn?“, bot Minder an. „Das ist meine Seilbahn!“, protestierte Wirt Coelestin Unterganzner. „Vorstand im Sportverein?“, legte der Parteiobmann nach. Beide Angebote wurden nicht direkt gegenüber Wiedersacher gemacht, sondern mit Klotz und Grüner besprochen. Grüner verneinte: „Wenn der Erwin seinen Platz beim Sportverein räumen muss, will er irgendwo anders einen Posten.“ Das war die Krux des Flaneider Proporzes: Vier regierende Bürgerlisten für die vier Ortsfraktionen, jede Menge Vereine, zwei Geschlechter, mehrere Generationen. Wenn all diese Kriterien übereinandergelegt werden mussten, kam es genau zu dem Sauhaufen, den man bereits hatte.
„Der Kassier der Musikkapelle gehört zur Fraktion Töpf“, beharrte der Obmann der dazugehörenden Bürgerliste. Es würde schwierig werden. „Vielleicht müssen wir doch den einen oder anderen Posten im Gemeinderat räumen“, meinte Minder, „sonst hört das Volk nie auf zu murren.“ „Von deinen oder von meinen?“, fragte Grüner, „wenn wir damit anfangen, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen.“ „In Flaneid ist nirgends genug Platz, damit alle Steine nebeneinander zu liegen kommen“, beruhigte sie Olga Klotz.
Nach mehrstündigem Durchrechnen aller Möglichkeiten – mithilfe eines Taschenrechners und zwei Flaschen Lagrein – kam man zum Schluss, dass sich ein Sesselrücken nicht ausging. Wiedersacher wurde auch zum Bleiben gezwungen – ansonsten würde man publik machen, dass sie beim letzten Haushalt mit der Mehrheit gestimmt hatte.
Grüner und Minder verzehrten demonstrativ gemeinsam eine Weißwurst im Unterganzner, vor aller Augen, um Geschlossenheit zu zeigen. Dann erhoben sie sich gleichzeitig, wobei es an Minder war, in beider Namen ein Statement abzugeben: „Die Bürger haben heutzutage wichtigere Sorgen. Um diese wollen wir uns gemeinsam kümmern.“ Wobei er dem Wort „gemeinsam“ mehr Lautstärke verpasste. Niemand der Anwesenden sah, dass Minder genau bei dem Wort gerade Grüners Weißwurstmesser im Rücken spürte.
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