Franz Gruber ist ein erfahrener Krankenpfleger und Flugretter. Während einer Rettungsaktion am Pragser Wildsee kam er jüngst an seine Grenzen. Er sagt: „Es befriedigt mich zutiefst, wenn ich helfen kann.“
Flaneid
Durst und Heimvorteil
Aus ff 17 vom Donnerstag, den 28. April 2022
Knappes Gut wird nicht nur teuer, sondern auch umkämpft. Die Flaneider stritten sich diesmal ums Wasser. Und wurden nass.
Durst muss etwas Schlimmes sein“, sagte der Ziggl-Franz und bestellte ein drittes Glas. „Recht hast du“, sagte Coelestin Unterganzner, der Wirt, und zeigte mit dem Finger auf ihn, nicht zur Schmach, sondern als leuchtendes Beispiel: „Jetzt, wo das Wasser knapp ist, sollte man besser Wein trinken.“ Dabei schaute er die Bauernrunde am Tisch an.
Diese berieten sich, was sie auf diese verdeckte Anschuldigung antworten sollten. Die Antwort musste wohlüberlegt sein, denn es ging ums Eingemachte, und seit Wochen stritten sich die Flaneider Stände, wer das lebensnotwendige Nass am meisten brauchte und wer als Erster darauf Anrecht hatte: die Bauern zum Bewässern, die Gäste zum Duschen oder die Menschen zum Trinken. Letztere bezeichneten sich üblicherweise als solche, um damit unterschwellig auch den Unterschied zu ersteren zu unterstreichen.
Nach einer geschlagenen Stunde und -einigen Telefonaten mit dem Standes-verband hatte Bauern-obmann Emil Harasser die wohlüberlegte Antwort parat: „Und wie sollen die Trauben wachsen, wenn sie kein Wasser kriegen?“ „Und wer soll deinen Wein kaufen, wenn keine Gäste da sind?“, schoss Unterganzner aus der Hüfte zurück. Er hatte, von außen nicht sichtbar, das Vademecum seines Verbandes – „Wissen für Wirte“ – offen auf dem Budel liegen. „Und was essen deine Gäste, wenn meine Kuh verhu… verdurstet?“, fragte Fritz Ebenwieser und faltete seinen Spickzettel wieder zusammen. Es war, wie alles in diesem Kontext, eine Grundsatzfrage: Kam der Gast oder das Nutztier zuerst dran, die heilige oder die gewöhnliche Kuh?
Unterganzner fand die Antwort nicht auf Anhieb. Er wurde vom Telefon gerettet: „Nein, Herr Wohlreich, das ist noch nicht eingelassen, aber Sie können gerne das Schwimmbad im oberen Hotel benutzen. Bitte. Gerne.“
„Deine Deutschen schwimmen in unserem Trinkwasser herum, und wir müssen rationieren?“ Der Reichsnährstand kochte schon bei weniger als 100 Grad Celsius. Rosa Rechenmacher, Buchhalterin der Gemeinde, dampfte bereits vor Wut: „Ihr braucht das Wasser nur, um Geld zu machen, und wir Menschen müssen mit Schweißgeruch herumlaufen!“ Als Arbeitnehmerin wählte auch sie die Worte mit Bedacht. Aber sie konnte sich dabei auch auf den Wassernutzungsplan vom Land berufen: Zuerst der Mensch, dann das Tier, dann das Feld und dann alles andere. Also Bauern, Gäste und Wirte, Fußballplätze und Autos. „Gestern hat einer vom Tourismusverein bei mir geklingelt, während ich unter der Dusche war“, berichtete sie entrüstet. „Und was wollte er?“ „Ich soll sofort aufhören, hat er gesagt.“
Bürgermeister Daniel Grüner betrat mit finsterer Miene und einem Wisch das Lokal: „Das ist ein amtliches Schreiben aus Venedig. Die möchten etwas von unserem Wasser …“ „Spinnen die? Venedig steht ja im Wasser“, kommentierte Harasser. „Gemeint ist ganz Venetien“, präzisierte der Bürgermeister. „Nicht einmal denken!“, riefen Rechenmacher und Unterganzner zugleich.
Grüner war froh, dass Wirtschaft, Landwirtschaft und Arbeitnehmer endlich einmal zusammenhielten. Ein Feind von außen war immer hilfreich. Aber damit war das Problem noch nicht gelöst. „Was schreiben wir ihnen zurück?“, fragte er.
„Das ist unser Wasser!“, lieferte Ebenwieser ein gut durchdachtes Argument. Der Ziggl-Franz hielt nicht viel von Wasser, daher fragte er ganz unbeteiligt: „Aha, und woher haben wir es?“ „Ja, vom Himmel!“ „Und wie kommt das Wasser in den Himmel?“ Kinder und Betrunkene konnten Fragen stellen, die Erwachsene und Nüchterne überforderten.
„Übrigens regnet es jetzt“, sagte der Franz und zeigte nach draußen. Alle gingen raus, streckten die Arme in den Regen und gaben sich danach die Hand. Es herrschte wieder Frieden im Land.
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