Flaneid

Die Abrechnung

Aus ff 18 vom Donnerstag, den 05. Mai 2022

Wer wem was schuldet: In vielen Branchen kam der Gedanke auf, dass sie eine Querfinanzierung verdient hätten.

Macht 4,80 Euro“, sagte Coelestin Unterganzner, der Wirt. „Was, schon wieder mehr?“, protestierte Franz Ebenwieser, Viehbauer aus der Flaneider Bergfraktion Kipf. Der Wirt zuckte mit den Schultern: „Es ist Krieg.“

„Eigentlich müsstet ihr uns etwas zahlen“, kam Bauernobmann Emil Harasser seinem Berufskollegen zu Hilfe, „wegen der Erhaltung der Landschaft für eure Gäste.“ Unterganzner verdrehte die Augen. Jetzt war schon wieder der Ruf nach dem Bauern-Euro im Umlauf, einem Aufschlag auf die Kurtaxe zur Erhaltung der bäuerlichen Erhaltung der Landschaft. Also unterm Strich eine Steuer und damit ein Blödsinn.

„Ihr Talbauern haltet euch da gefälligst raus“, ging Unterganzner den Obstbauern Harasser direkt an, „ihr schützt die Landschaft mit Hagelnetzen.“ „So hält sie länger“, verteidigte sich Toni Steiger, Harassers Grundstücksnachbar, der gleich darauf zum Angriff überging: „Außerdem spazieren und radeln eure Gäste auf unseren Feldwegen.“ „Die ihr mit unseren Steuern geteert habt“, ergänzte Unterganzner giftig.

Bürgermeister Daniel Grüner und sein Gemeinde­ausschuss saßen ein paar Tische weiter und merkten nur, dass es immer lauter wurde, gefährlich laut. Grüner näherte sich den Debattanten: „Horch, tut’s euch vertragen!“ Er fing eine, von Harassers flacher Hand. Olga Klotz, regierende Vizebürgermeisterin, überlegte, ob sie das auf dem Bürgermeister sitzen lassen sollte. Wäre eine Option. Andererseits konnte sie jetzt zeigen, wer im Dorf die Hosen anhatte. Sie, größer und kräftiger als alle anderen, ging zu den Streitparteien, um mit den Waffen einer starken Frau zu schlichten. Harasser ging schon nach ihrer ersten Ohrfeige zu Boden. „So“, sagte sie und ging an ihren Tisch zurück.

„Aber habt ihr mitbekommen, um was es da drüben gegangen ist?“, fragte Bürgermeister ­Grüner in der Ausschussrunde, „darum, wer wem was schuldet, grundsätzlich, als Berufs­kategorie. Wenn das Mode macht, haben wir Krieg im Dorf.“ „Verbieten können wir’s nicht“, meinte Sozialassessorin Milli Minder, „wir sind eine Demokratie, im Prinzip, meine ich.“ „Vielleicht ist es dann besser, wir lassen den Kamin kontrolliert ausbrennen“, mischte sich Feuerwehrkommandant Florian Lösch ein. „Wir lassen sie ausreden, aber mit Regeln“, übersetzte Klotz.

„Dorfbilanz“, sagte das Plakat, mit der die Gemeinde alle Flaneider einlud darzulegen, was sie zum Gemeinwohl beitrugen und von wem sie sich wie viel erwarteten. „Wer gibt, wer nimmt, wer hat noch zu haben?“, stand im Untertitel. Es ging darum, ob alle gerecht beitrugen und ob Querfinanzierungen zwischen den Berufen gerechtfertigt waren. „Nur eine Erhebung“, präzisierte der Bürgermeister, „dann ­­sehen wir ja.“

Im Unterganzner wurden Arbeitstische zu den einzelnen Bereichen eingerichtet, wo jeweils Leistungen und Lasten gesammelt wurden. Dann wurde neu gemischt, und neu zusammengewürfelte Gruppen prüften und berechneten eventuelle Guthaben und Schulden. Mit einer Klangschale wurden die Pausen markiert. Man kam unter anderem drauf, dass das Handwerk von Bauern und Gastwirten profitierte, die aber ohne die braven Handwerker nichts aufgestellt hätten. Außerdem wurde die Arbeit allerorts hauptsächlich von Arbeitnehmern geleistet, die ihrerseits eine Ausgleichszahlung forderten. „Das nennt man Gehalt“, würgte Kaufleuteobmann Helmuth ­Kramer das Argument ab.

Unterm Strich kam heraus, dass jeder jedem etwas gab. Also nichts.

„Das hätte ich euch gleich sagen können“, sagte der Wirt, „das bringt nichts.“ Je länger sie ihn anschauten, desto mehr kamen auf denselben Gedanken: „Aber dir hat’s etwas gebracht. Das ganze Tagesinkasso.“

Unter Androhung der flachen Hand wurde Unterganzner zu zwei Tagen Freibier verdonnert.

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