Flaneid

Bessere Bürger

Aus ff 35 vom Donnerstag, den 29. August 2024

Die Gemeindeverwaltung tat alles, um die Qualität der Flaneider zu heben. Nur so war die Zukunft noch finanzierbar.

Und auf diese Lebensmittel sollten Sie verzichten …“ Die Flaneider, die auf Einladung des örtlichen Bildungsausschusses in die Gemeinschaftshalle gekommen waren, warteten zunächst gespannt auf die Enthüllungen von Gemeindearzt Kaspar Hertz, die ihnen in kürzester Zeit zu einem besseren Leben ohne Wehwehchen verhelfen sollten. Die Enttäuschung kam, als da auf der Leinwand Dinge erschienen, die man schon bestens kannte: Speck, Wurst, Leberkäse usw. Und Alkohol! Ja, wie stellte sich der Herr Doktor das vor? „Der hat leicht reden“, raunzte Bauernobmann Emil Harasser, „aber umsetzen sollen wir es!“

„Das geht“, behauptete Hertz, „ich zeig’s euch!“ Er zeigte auf Viktor Tonner, Flaneids ältesten Bürger, über 100, Zeuge härtester Zeiten, Sieger von Stalingrad. Der Doktor bat ihn aufzustehen: „Erzählen Sie einmal, wie sind Sie so alt geworden?“ Tonner grinste: „Ganz einfach: viel Bewegung, kein fettes Essen, keine Zigaretten, kein Alkohol. Und hie und da ein bisschen lügen.“ „Wie meinen Sie das?“, fragte Hertz. Tonner grinste wieder: „So wie jetzt gerade.“ Der ganze Saal applaudierte, außer der Bildungsausschuss in der ersten Reihe. „Wir werden einen anderen Zugang finden müssen“, flüsterte Vorsitzender Heribert Weisensteiner, enttäuscht über die Bildungsverweigerung seiner Mitbürger. „Ja, aber wie?“, antwortete Kulturassessorin Klara Teutsch, der ebenfalls viel an Bewusstseinsbildung gelegen war.

Der Bildungsausschuss, ein siebenköpfiges Gremium, war nicht so machtlos, wie er sich fühlte, zumindest nach dem ersten Vortrag. Ohne ihn wäre zum Beispiel der Pfarrsaal leer gewesen, als Pfarrgemeinderatspräsidentin Rosl Kranz ihren Vortrag „Erfolgreich beten“ hielt.

Mehr los war dann schon beim Vortrag zur Mülltrennung, zu dem die Umweltgruppe in den Recyclinghof geladen hatte. Das Volk lauschte andächtig den Ausführungen des Wärters Fritz Abfalterer und war zur Überraschung von Assessorin Teutsch gar nicht beunruhigt über die komplizierten Auflagen, die da einzuhalten waren. Oder wären. Auch nicht über den Untergang der Welt, der drohte, wenn Schnürsenkel und Schuhe nicht separat abgegeben würden. „Ich wohn‘ neben dem Bach“, bemerkte Rosl Kranz beim Ausgang. Emil Harasser nickte anerkennend und trumpfte mit seinem Verwertungskonzept auf: „Und ich hab‘ einen Holzofen.“

„Es ist zum Verzweifeln“, berichtete Klara Teutsch am Stammtisch des Gemeindeausschusses im Gasthof Unterganzner, „die wollen sich nicht ändern.“ Bürgermeister Daniel Grüner atmete stark und enttäuscht aus. Das ganze Konzept, das er gemeinsam mit Finanzassessorin Hedwig Helfer ausgearbeitet hatte, war in Gefahr. Das Dorf sollte sich von innen erneuern, bessere Bürger waren das Ziel, das würde sich auch in den Vergleichsstatistiken mit anderen Gemeinden niederschlagen. Außerdem würde sich das positiv auf den Gemeindehaushalt auswirken, wenn die Bürger gesünder leben, weniger wegwerfen oder weniger Auto fahren würden. Mit dem Ersparten könnte man dann wichtige Anliegen finanzieren.

„So kriegen wir unser Hauptanliegen nie durch“, sagte Grüner. „Dein Hauptanliegen“, korrigierte Helfer, „die Bürger wollen sich erstens nicht ändern, zweitens wollen sie unsereinem nichts gönnen. Wenn du jetzt die Bürgermeisterrente durchdrücken willst, gibt es einen Aufstand.“ „Alles nur eine Frage des Namens“, meinte hingegen Olga Klotz, die regierende Vizebürgermeisterin mit einem Hang zum Pragmatischen, „von Politikergehältern oder Leibrenten wollen die Leute nichts hören, also heißen wir es Bürgervorsorgeabsicherung.“ „Erklären, bitte.“ „Ja, weil so wären die Bürger finanziell abgesichert und müssten später nicht einen verarmten Altbürgermeister durchfüttern.“

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