Leserbriefe

Grüner Kahlschlag

Aus ff 17 vom Donnerstag, den 26. April 2018

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Acht Hektar Auwald wurden zwischen Vintl und Kiens abgeholzt ­­– ff 14/18 berichtete darüber. Das ist eine Zerstörung ungeahnten Ausmaßes, sagt Biologin Petra Steiner.

Luis Durnwalder hatte leider völlig recht mit seiner Antwort, als ihm das Revitalisierungsprojekt der Rienz vorgelegt wurde: „Spinnt ihr komplett?“, war seine spontane und wohl die passendste Antwort auf eine Zerstörung diesen Ausmaßes.
Das Wegbaggern des letzten Auwaldes im Unteren Pustertal (Ilstener Au) ist eine solche Revitalisierung. Mit gewaltigen Maschinen werden Reptilien und andere Kleinlebewesen (wie die seltene Mooshummel) im Winterschlaf zu Tode gebracht, alte Nistbäume geschreddert und eine Mondlandschaft geschaffen, wo zuvor geschützter Auwald stand, im östlichen Teil als eine absolute Besonderheit ein fast reiner Eschenbestand. Die Ilstener Au war Zufluchtsstätte für verschiedenste Insekten und Vogelarten und als einem der letzten verbliebenen Auwaldreste kam ihr eine besondere ökologische Bedeutung zu.
In der Studie zur Fluss- und Auenrenaturierung hat die Wissenschaft klargestellt, dass für eine ­Erfolgskontrolle der Renaturierungen eine Zustandserfassung notwendig ist. Doch nicht nur für die Erfolgskontrolle, auch für den Schutz der Lebensräume und der Arten ist die Erfassung wichtig, denn 90 % der vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten Südtirols sind an Gewässer und Feuchtgebiete gebunden. Nun werden aber genau diese Lebensräume emsig umgebaut und „renaturiert“ oder „revitalisiert“, das heißt, zuerst gerodet und anschließend weggebaggert, so geschehen an der Ahr (22 ha) oder jetzt in der Ilstener Au (8 ha). Sogar in der Millander Au, dem letzten Vorkommen des Laubfrosches in Südtirol, ließ man die Bagger tanzen. Wer kann sagen, ob nicht auch überwinternde Laubfrösche dabei unter die Schaufel kamen?
Das Artenschutzzentrum St. Georgen hat sich stets gegen diese Vorgangsweise ausgesprochen und dies den verantwortlichen Politikern auch mitgeteilt. Lebendige oder vitale Auen werden nicht durch die Anlage von Teichen geschaffen. Lebendige Auen sind komplexe Lebensräume, die durch die Kraft des Wassers geformt werden. Wo Hochwässer Sand und Geschiebe ablagern, können sich Sandbänke, Auwälder, Tümpel und andere Feuchtlebensräume natürlich entwickeln.
In Südtirol fließen Umweltgelder in die Gemeindekassen. Alleine für den Zeitraum 2018 stehen in den fünf Ufergemeinden Bruneck, Percha, Olang, Rasen-Antholz und Welsberg-Taisten insgesamt circa 2,8 Millionen Euro zur Verfügung. Die Politik hat zuallererst die Aufgabe im Sinne der Biodiversitäts­konvention Lebensräume zu erhalten, keinesfalls aber solche zu zerstören.
Es stellt sich nun die Frage, welche Maßnahmen bei einem Gewässer von großer naturkundlicher Bedeutung, wie die Ahr es ist, sinnvoll sind. Die Ahr tieft sich wie viele ­Fließgewässer in Südtirol ein, da Geschiebe durch Hochwasserschutzbauten und Stauseen zurückgehalten wird. Der Geschiebemangel kann ausgeglichen werden, indem man Geschiebe ins Bachbett einbringt und die Sohle stabilisiert, damit der Auwald wieder häufiger überflutet wird. Durch den Ankauf von angrenzenden Flächen und das Schaffen von Korridoren kann der Natur effektiv geholfen und den Bächen mehr Raum gegeben werden ohne Auwald zu zerstören.
Zum Insektensterben sagte Thomas Wilhalm vom Naturmuseum: „Von uns Wissenschaftlern wird gefordert, Zahlen zu liefern“. In der Studie zur Fluss- und Auen­renaturierung hat die Wissenschaft bereits geliefert und die Mängel aufgezeigt. Wozu aber forschen, wenn Ergebnisse außen vor bleiben?

Petra Steiner, Artenschutzzentrum St. Georgen

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