Leserbriefe

Blind für Qualität

Aus ff 01 vom Donnerstag, den 03. Januar 2019

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Stephan Schmidt Wulffen antwortete in ff 50/18 auf ein Interview des Künstlers Thomas Sterna (ff 47/18). Das will dieser nun wiederum nicht auf sich sitzen ­lassen.

„Qualität ist eine leere Kategorie“, sagte der letzte ­Documenta-Leiter Adam Szymczyk 2013 in einem ­Interview mit der Taz. Sie sei immer „die Qualität von ­jemand anderem“, die „gefährlich mit einem Markt und einem verbürgten und als ­sicher geltenden Wert verbunden ist.“ Für Szymczyk hängt die fixe Vorstellung dieses klar umrissenen Qualitätsbegriffs zusammen mit einem Kanon und Werten, die als gesichert gelten.
Das war in der Geschichte der Kunst der letzten zweihundert Jahre aber nie eindeutig der Fall. Man denke nur an die Salons im Paris des 19. Jahrhunderts und die von bedeutenden Künstlern organisierten ­Gegenveranstaltungen wie der „Salon der Abgelehnten“, der viele Namen enthält, die heute in den Museen der Welt anzutreffen sind, wie Monet, Manet oder Renoir.
Wenn Stephan Schmidt Wulffen mir also Blindheit im Hinblick auf Qualität unterstellt, wäre erst einmal zu
klären, an welchen Kategorien er Qualität festmacht. Ohne solche Verweise bleibt das Urteil schlicht eine diskreditierende Behauptung.
Abschätzig ist gleich zum Start auch die Art und Weise, wie er meine Neonarbeiten disqualifiziert. Zwar konstatiert er selbst, dass der Kunstbetrieb „durch zu viel privates Geld in eine Notlage geraten ist“ und immer weniger von seriösen Sammlern, sondern Spekulanten beherrscht werde, lässt aber ­meine Versuche, diese Situation durch ironisch konzipierte Funktionsverweise zu unterlaufen, nicht gelten, sondern beschreibt sie als auf ­Sicherheit ausgerichtetes Konzept.
Im Gegenzug lobt er die aktuelle Ausstellung von Otobong ­Nkanga in der Galerie Museum. Ich finde die Position von Frau Nkanga interessant, aber nicht relevant für das, was mich umtreibt. Ich interessiere mich unter anderem für Positionen wie zum Beispiel die von Andrea Fraser, Hans Haake oder Hito Steyerl, die einen spezifischen institutionskritischen Ansatz verfolgen.
Zudem habe ich mich in meinem Interview nicht auf die Galerie Museum bezogen, sondern auf die Ausstellungspolitik des Museion, wo ich meine, die „Bigotterie einer Kunstwelt, die sich aufrecht gibt und es zugleich hinnimmt, dass tatkräftiges Handeln durch freie, doch weitgehend folgenlose Symbolpolitik ersetzt wird“, wie es Hanno Rauterberg formuliert.
Zu guter Letzt möchte ich noch einmal kurz auf den eigentlichen Anlass für Herrn Schmidt Wulffens Kritik an mir zu sprechen kommen: Meine Frage nach der Ausrichtung des Kunststudiums an der Uni Bozen. Im Reflex auf gewisse Auseinandersetzungen habe ich eine potenzielle Ausrichtung des Fachbereichs auf den Kunstmarkt in den Raum gestellt. Das war tatsächlich ein Kurzschluss, der so nicht statthaft ist. Grundsätzlich stellt sich für mich aber trotzdem die ­Frage, ob im Grenzbereich ­zwischen der Kunst und den mit ihr verbundenen Disziplinen wie dem Design oder der Architektur etcetera noch jene ­Autonomie gefördert wird, die ich nach wie vor als das zentrale Gut einer künstlerischen Geisteshaltung ansehe.
Künstlerische Intelligenz solle an der Uni Bozen, so schreibt Schmidt Wulffen, für die Bereiche der Pädagogik, des Managements und des Designs fruchtbar gemacht werden.
Im Zentrum des Studiengangs stehe dabei weniger die Vermittlung „technischer Fähigkeiten“ als die Schulung von „genaue(r) Wahrnehmung, Analysefähigkeiten, und politische(r) Sensibilität.“
Chapeau, da bin ich dabei. Zwar wird sichtbar, dass die „absolute Unzuständigkeit“, wie Hanno Rauterberg die Autonomie auch nennt, durch den Fokus auf eine zweckgebundene Kreativität aufgegeben wird, aber wenn es den Absolventen tatsächlich gelingt, die erworbene Kreativität in kunstferne Bereiche der Gesellschaft zu tragen und sie dazu befähigt, sich kritisch mit diesen Strukturen auseinanderzusetzen, könnte das ein spannender Ansatz sein.
Vor diesem Hintergrund ­würde ich allerdings erwarten, dass die Frage nach dem Kastensystem Kunst beziehungsweise nach dem Zustandekommen von auf die Kunst bezogenen Qualitätsurteilen als Basis des Kastensystems auch ein Anliegen meines Kritikers ist und er meine kritischen Sondierungen in diesem Kontext wohlwollend zur Kenntnis nimmt, statt sie komplett zu diskreditieren.

Thomas Sterna, Meran/Frankfurt

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