Leserbriefe

Wirtschaftliche Gefühle

Aus ff 03 vom Donnerstag, den 17. Januar 2019

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ff 1/19 brachte ein Interview mit dem Verhaltensökonomen Mirco Tonin von der Uni Bozen

Warum nur macht mich dieses Interview mit ­Professor Mirco Tonin von unserer ­Universität so grund­traurig? Vom neuen boomenden Zweig der Wirtschaftswissenschaften, der Verhaltensökonomie, hat er berichtet.
Die Ökonomen­ hätten jetzt ­definitiv entdeckt, dass die Menschen keine ­simplen ­rationalen ­Maschinen sind und ihr Verhalten sehr oft von Emotionen gesteuert ist.
Diese revolutionäre Entdeckung gelte es jetzt zum Wohle der Menschen umzusetzen. Nun endlich könnten „Politik und Wirtschaft das Verhalten von ­Menschen ohne Zwang in eine ­bestimmte Richtung ­lenken“. Verschiedene Regierungen weltweit würden­ das schon zum Wohle ihrer­ Bürger ­machen, und deshalb­ müssten auch die lokalen ­Politiker „für diese Art der ­verhaltensökonomischen Hilfestellung sensibilisiert“ ­werden. ­Gerne würden die Verhaltensökonomen weiter forschen, aber dazu bräuchten sie halt viele Daten, und die Behörden sollten diese bereitwilliger zur Verfügung ­stellen.
Zur Finanzkrise, in deren ­Folge Staaten und Menschen weiter taumeln, meint Professor Tonin, man habe zu ­wenig auf die Ökonomen gehört und es habe „teil­weise ­einen Kontrollverlust der ­regulierenden Behörden“ gegeben. Wer hätte das gedacht!
Es deprimiert mich, in Zeiten wie diesen solch unbedarfte und unkritische Töne aus unserer Wirtschaftsuniversität zu hören, zu denken, dass dort die alten neoliberalen Glaubensbekenntnisse weiterhin gelehrt werden und die Ökonomen zum Management der verheerenden Folgen dieser im akademischen Rahmen anscheinend konkurrenzlosen Lehre nun mit neuen verhaltensökonomischen Techniken beitragen wollen.
Ach, was waren das doch für Zeiten, als vor genau 9 Jahren der damalige Rektor, Professor Walter Lorenz, für die ff einen langen Aufsatz verfasste mit dem Titel „Das soziale Manifest“.

Erwin Demichiel, Bozen

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