Leserbriefe

Leerstelle Direktion

Aus ff 09 vom Donnerstag, den 28. Februar 2019

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Museion Bozen – ein öffentliches oder ein privates Museum? Das fragt sich der Künstler Erich Kofler Fuchsberg nach dem Desaster bei der Besetzung der Direktorenstelle

Niemand hat bisher die Kunstproduktion Südtirols des 20. Jahrhunderts in seiner gesellschaftlichen, sozialen, politischen Dimension in einer Ausstellung thematisiert und dargestellt. Wer ­sollte das machen? Eine Partei? Die Landes­regierung?
Aufarbeitung heißt Arbeit, Forschung, Beschäftigung mit den Fragen und Problemen einer Epoche, Übersetzung in die Sprache und Verständlichkeit unserer Gegenwart.
Einer der schwierigsten Abschnitte der Geschichte Tirols und speziell Südtirols ist jener von 1919 bis 1945. Diese Zeit ist jedoch nicht frei von Kunst: Atzwanger, Stolz, Lenhart, Lanzinger, Piffrader und noch einige andere sind Protagonisten dieser Zeit. Wann hat es zum Beispiel eine Aufarbeitung, das heißt Zusammenschau dieser Künstler gegeben? Wer wäre dafür zuständig? Wer wäre dazu in der Lage, ­diese Zeit kritisch und verständlich
nachzuzeichnen? Eine Universität?
Ein privater Verein?
Wer hat die Aufgabe, Entwicklungen der Kunst in einen lesbaren, nachvollziehbaren Kontext zu stellen und die wichtigen Fragen aufzuwerfen? Wie weit ­haben sich die Künstler von kirchlichen oder politischen Interessen einschüchtern oder vereinnahmen lassen? Inwieweit spielt Kollaboration oder politische ­Opportunität eine Rolle, wie sieht künstlerischer Widerstand aus? Wie bestimmend, nachhaltig oder bald vergessen waren die Werke, was sagen sie uns heute?
Die Kultur des 20. Jahrhunderts in Südtirol kann man in drei Teile teilen: von 1919 bis 1945, Faschismus, Option, Krieg, dann jenen von 1945 bis 1969 (N. C. Kasers Rede in Brixen) und von 1969 bis 1985 (Gründung der Galerie Museum AR/GE Kunst und des ­Museion im alten Spital). Drei Blöcke der Kultur und Kulturdefinition. Diese sind die Marken, deren Bearbeitung sich niemand zutraut und zu der sich niemand beauftragt sieht. Ob die geistige oder die politische Kapazität dafür nicht ausreicht, das wären ebenfalls noch zu klärende Fragen.
Das Museion in Bozen setzt sich in keiner Weise mit den Fragen des Territoriums auseinander, es gleicht vielmehr einem privaten Verein, geschaffen oder zurechtgebogen zum Nutzen einiger Mitglieder, keinen Beitrag leistend zur Aufarbeitung und Darstellung unseres heimischen Kunstschaffens, keinen
Beitrag leistend zur Reflexion der Zeit des Hier und Jetzt in diesem Land, keinen Beitrag zur kritischen Darstellung der hiesigen Kunstgeschichte. Da drängt sich die Frage auf, für was oder für wen arbeitet dieses „Museion“ überhaupt?
Die Performance des „Museion“ ist eine krasse Fehldefinition seiner ursprünglichen Rolle und Aufgabe und ist in dieser Form keine Bereicherung der kulturellen Landschaft. Schon längst müsste die Politik verstanden haben, dass dieses Haus trotz aller Werbemaßnahmen von der Öffentlichkeit nicht akzeptiert wird, weder die Unterstützung des Publikums, noch jene der Kulturschaffenden erfährt.
Ohne eine transparente Gebarung, die für eine öffentliche Institution unverzichtbar ist, ohne die Bindung an die Umgebung, das Territorium, den mittelbaren und unmittelbaren Kulturkontext bleibt ein solches Museum ein Fremdkörper und hat keinen Sinn.
In dieser Form wäre es nur logisch und konsequent, das Museion zusammen mit Ötzi dem „Waltherpark Benko/Hager“ zu verkaufen und auf den Virgl zu verschieben, und mit dem Erlös ein tatsächliches Museum „Moderner und Zeitgenössischer Kunst“ aufzubauen, das sich den Namen verdient und dringend gebraucht würde!

Erich Kofler Fuchsberg, Naturns / Bozen

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