Leserbriefe

Vollgas mit Wasserstoff.

Aus ff 07 vom Donnerstag, den 13. Februar 2020

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Das Land startet eine Wasserstoff-Offensive. Und will in diesem Bereich die Nr. 1 auf der Welt werden. Titelgeschichte in ff 5/20

Vollgas mit Wasserstoff. Das Land startet eine Wasserstoff-Offensive. Und will in diesem Bereich die Nr. 1 auf der Welt werden.

Benjamin Profanter, Brixen: Kompliment zum gut aufbereiteten und gut recherchierten Artikel über die Wasserstoff-Ambitionen des Landeshauptmannes & Co. – Die Knackpunkte und Widersprüche dieser Technologie wurden mehrfach aufgezeigt. Allerdings bin ich der Meinung, dass das Land Südtirol hier trotzdem einen kapitalen Fehler begeht. Deshalb möchte ich meine Bedenken in einem Leserbrief zum Ausdruck bringen.

Ich schätze die Ambitionen der Landesregierung, einen gewichtigen Beitrag zur sauberen Mobilität leisten zu wollen, sehr! Allerdings setzen der Landeshauptmann, die verantwortlichen Landesräte und deren Berater mit Wasserstoff leider auf das falsche Pferd. Nicht nur auf das falsche Pferd, sondern auf einen offensichtlich toten Gaul: Denn Wasserstoff wird für breite Mobilitätszwecke nie aus den Startlöchern kommen.

Wissenschaft und Industrie haben es in den letzten Jahrzehnten nicht geschafft, energie- und kosteneffiziente
Wasserstoff-Lösungen für die Mobilität zu liefern. Es schaut momentan auch nicht danach aus, als ob sich an diesem Fakt zumindest in den nächsten 10 bis 20 Jahren etwas ändern würde.

Die Batterietechnologie hingegen entwickelt sich seit Jahren rasant weiter und hat noch viel Potenzial: Batterie-Zellchemien mit höherer Energiedichte bei gleichzeitig weniger Ressourceneinsatz (wie beispielsweise die Feststoffbatterie) stehen kurz vor dem Durchbruch.

Seriöse Wissenschaftler und die Autoindustrie sind sich einig, dass Wasserstoff im PKW-Bereich der Batterie-Technologie weit unterlegen ist. Zu ineffizient, zu wartungsintensiv und daher viel zu teuer. Selbst Toyota, bisher größter Verfechter von Wasserstoff-PKW schwenkt mittlerweile auf die Batterieentwicklung um.

Die Reichweite von Wasserstoff-PKW ist nur in überschaubarem Maße größer als von E-Autos, und der einzige offensichtliche Vorteil – das schnelle Nachtanken – wird durch immer höhere Schnellladeleistungen von Batterien und die immens teuren Wasserstoff-Tankstellen wieder wettgemacht.

Das größte Problem an der Wasserstoff-Technologie ist und bleibt der katastrophale Wirkungsgrad! Im Vergleich zum E-Auto mit reinem Batteriespeicher (auch das Wasserstoff-Auto ist ein E-Auto und verfügt neben Wasserstofftank und Brennstoffzelle auch über eine größere Batterie) gehen bei der Herstellung von Wasserstoff aus grünem Strom zwei Drittel der sauberen Primär-
energie einfach verloren. Was für eine Verschwendung von knappem Ökostrom!

Eine Energiewende zu rein erneuerbaren Energien würde sich mit Wasserstoff, selbst bei dem beschränkten Einsatz in Bus und LKW, um Jahre und Jahrzehnte verzögern.

„Wir können Wasserstoff für die Mobilität produzieren, sobald uns der grüne Strom zu den Ohren heraushängt“, sagte sogar VW-Chef Diess im vergangenen Jahr der Presse.

Für Südtirol mag dies der Fall sein, trotzdem hat die Wasserstoffproduktion umwelttechnisch wenig Sinn. Sieht man die Umweltprobleme nämlich global und nicht nur aus Südtiroler Sicht, wäre es sogar besser, wie bisher den sauberen Südtiroler Strom zu exportieren, um dadurch zu helfen, den europäischen Strommix grüner zu gestalten.

Jeder Euro, den das Land Südtirol in Wasserstoff investiert, wäre viel besser angelegt, wenn man damit stattdessen massiv den Umstieg auf Elektroautos fördern würde – ökonomisch und ökologisch wäre dies der viel bessere Ansatz. Kleine Wasserstoff-Insellösungen vernichten nicht nur sauberen Strom, sondern vor allem auch viel Steuergeld, welches anderweitig effektiver zum Klimaschutz eingesetzt werden könnte.

Die Diskussion um Wasserstoff kann man abseits der ökologischen Diskussion mit einem ganz einfachen Argument beenden: Welches Transport- oder Busunternehmen wäre bereit, für den mit Wasserstoff zurückgelegten Kilometer den doppelten bis dreifachen Preis zu bezahlen, als dies mit Diesel oder gar Strom der Fall wäre? Keines! Außer man subventioniert Wasserstoff massiv. Erstens wäre das Steuerverschwendung, zweitens hätte die öffentliche Hand das Geld dazu gar nicht, weil Land und Staat ja bisher nicht unerheblich am Treibstoffverkauf verdienen. Wasserstoff hat daher in der privaten und gewerblichen Mobilität keine Zukunft.

Eine kleine Chance besteht für Wasserstoff bei der öffentlichen Mobilität, aber nur wenn einem die Kosten dafür egal sind. Das reiche Südtirol mag es sich (noch) leisten können. In wenigen Jahren wird die Batterie-Entwicklung und die Ladetechnologie aber so weit fortgeschritten sein, dass E-Busse auch die Südtiroler Anforderungen (Steigungen, Winterreichweite) erfüllen können. Und LKWs werden auf der Autobahn mit Strom aus Überkopfleitungen fahren, so wie dies Züge, Straßenbahnen und Oberleitungsbusse machen.

Dann wird Südtirol erkennen müssen, dass man auf dem teuren Wasserstoff sitzen bleiben wird. Denn schlussendlich bestimmt die Brieftasche, ob Wasserstoff eine Zukunft hat oder nicht. Und da wird die Entscheidung plötzlich ganz einfach.

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