Leserbriefe

„Schütz mich, schütz mich nicht“

Aus ff 32 vom Donnerstag, den 06. August 2020

Leserbriefe
Leserbriefe © ff-Media
 

ff 30/2020 über ­kontroverse Ansichten rund um den Ensembeschutz

Der Heimatpflegeverband weist seit 30 Jahren auf die Wichtigkeit von Ensembles hin, doch die Bilanz sieht ernüchternd aus. Häufig fehlt auf Dorf- und Landes­ebene der politische Wille für restriktive Maßnahmen, und so hat man das verpflichtende Ensembleschutzverzeichnis vielfach gar nicht erstellt. Außerdem hatte es zu oft eine reine Alibifunktion, weil man die Regelungen an die Wünsche der Bauherren anpasste.

Meine Erfahrungen: Die Ensembleschutzkommission von Bruneck hatte sich 2002 für den Erhalt des stadtbildprägenden Hotels Post eingesetzt. Nachdem aber die Gemeindeverwaltung dessen Abbruch genehmigt hatte, sind wir als Kommission aus Protest zurückgetreten. Auch der Bahnhof von Bruneck war damals dem Abbruch geweiht. Dieses Vorhaben konnte verhindert werden, und so blieb er als Teil des schönen Ensembles der Pustertaler k. u. k. Bahngeschichte erhalten. Der Abbruch eines einzigartigen stattlichen Bauernhofes in einer Ensembleschutzzone in Olang war 2015 der Anlass, dass ich als Landessachverständiger der Gemeinde zurücktrat, weil die klaren Bestimmungen zur Erhaltung des Gebäudes missachtet wurden.

Seit fünf Jahren bin ich Mitglied der Ensembleschutzkommission von Innichen. Dort ist die Arbeit durchaus zufriedenstellend, auch weil die Bürgermeisterin die Kommission und den Schutz der Ensembles und ihren Wert für die Allgemeinheit wichtig nimmt.

Die Zukunft des Ensembleschutzes in Südtirol:

Es war ein großer Fehler, die Zuständigkeit für die Ensembles nicht wie beim Denkmalschutz und bei Schutzgebieten dem Land zu übertragen, sondern den Gemeinden. Diese verfügen vielfach weder über die Sensibilität noch über das Wissen für diese komplexe Materie. Zudem sind sie zu sehr dem Druck von Interessen ausgesetzt. Künftig wird der Ensembleschutz noch bedeutungsloser sein, da die Ausweisung oder Nichtausweisung und Regelung der Ensembles allein in der Hand der Gemeinden liegt. Sie müssen zwar verbindlich eine Ensembleschutzliste erstellen, doch sie werden wohl wenig Geeignetes finden (wollen). Zudem besteht nach der Ausweisung die Möglichkeit, die Liste einseitig wieder abzuändern, ohne dass das Land eine Handhabe zum Eingreifen vorgesehen hat. Das wird sich fatal auswirken.

Die Ensembles und die historischen Gebäude sind für das Orts- und Landschaftsbild in unserem Land von großer Bedeutung. Geben wir ihnen eine Chance!

Albert Willeit aus Gais ist Architekt und Heimatpfleger

Leserkommentare

Kommentieren

Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.