Ausstellung – Linda Wolfsgruber
Leserbriefe
Märchenonkel Momo
Aus ff 21 vom Donnerstag, den 27. Mai 2021
In ff 19/21 brachten wir eine Kritik zu „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ bei den Vereinigten Bühnen Bozen (VBB). Die Rezension von Georg Mair hat Irene Girkinger, die Intendantin der VBB, zu diesem „offenen“ Brief provoziert.
Sehr geehrter Herr Mair, ich dachte eigentlich nicht, dass ich in meiner -Intendanz ein solches Schreiben an Sie richte, nun tu ich es aus gegebenem Anlass und vor dem Hintergrund von zahlreichen ähnlichen Fällen aus der Vergangenheit, die nicht nur die Arbeit der VBB, sondern auch jene anderer Theater betreffen, aber doch. Nicht, weil die VBB oder ich schlechte Rezensionen nicht verkraften würden!
Kritik gehört zu unserem Theateralltag. Daran sind wir gewöhnt beziehungsweise sind Rezensionen ja dafür da, eine künstlerische Arbeit objektiv und fundiert zu bewerten. Aber: Wenn ein Verriss -geschmäcklerisch, ungenau recherchiert und auch noch fehlerhaft daherkommt und das noch dazu in einem Medium, das sich selbst dem Qualitätsjournalismus verschrieben hat, dann kann ich nun nicht mehr umhin, meinen grundsätzlichen Unmut zu äußern. „Nun“ meint noch dazu gerade jetzt, zu diesem Zeitpunkt, wo die Kultur und insbesondere auch das Theater nach einer so langen und sehr schwierigen Zeit mehr denn je Unterstützung und konstruktive Inputs nötig hat.
Die Frage nach dem -„richtigen“ Stück und/oder der „richtigen“ Inszenierung zur Wiedereröffnung nach monatelanger Schließung der Theater mag legitim sein. Darüber ließe sich trefflich diskutieren beziehungsweise haben wir das intern auch ausgiebig gemacht! Ebenso darüber – und diese Frage stellen wir uns ganz -besonders – wonach dem Publikum denn während so einer Krise der Sinn steht? Mit welchen Gefühlen möchte es das Theater besuchen und ebenso wieder nach Hause gehen? Was wäre denn das beste Stück zum Neustart nach so einer Zeit, die noch nie jemand von uns erlebt hat?
Aber worum geht es mir denn eigentlich?
Nahtlos an das Stück -„Mon-sieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ haben die VBB die Premiere von „Gott“ von Ferdinand von Schirach angesetzt – wohl ein Stück, das keinesfalls nur Konsens, sondern eben Reibung erzeugt. Ich denke, zumindest da sind wir der gleichen Meinung. Aber über diese Produktion, die nun nach einer Online-Premiere im Februar endlich live zu sehen ist und darin erst ihre wahre Kraft entfaltet, ist weder in der ff noch in den anderen Printmedien zu lesen. Ist es dann legitim, die „Wiedereröffnung“ eines Theaters nur durch die Brille einer Premiere zu betrachten?
„Gott“ bietet als wichtiger Diskursbeitrag und mit der Einbindung des Publikums in einen Meinungsbildungs-prozess auch die von -Kritikern wie Ihnen oftmals eingeforderte gesellschafts-politische Relevanz von -Theater; und wahrlich Stoff genug für themenbe-zogene Berichte, Vorberichte, Interviews etc. Ob selbst-bestimmtes Sterben, Sterbe-hilfe in Zukunft „legal“ sein wird – die Entscheidung darüber wird jetzt getroffen, die gesetzlichen Fundamente dazu werden jetzt gelegt und diese werden die Gesellschaft nachhaltig verändern. Diese Diskussionen zu führen, mit Stücken auf der Bühne des größten deutschsprachigen Theaters Südtirols Anstöße zu geben, mit künstlerischen Statements Position zu beziehen – das sehen wir auch in unserer Verantwortung und als Aufgabe.
Es wäre wirklich schön, wenn auch die Medien gerade jetzt diese, ihre Aufgabe der Vermittlung bewusster wah-rnehmen würden und nicht noch obendrein zur Eigenwerbung und Imagepflege Insta-Posts mit selektiven, willkürlich aus dem Zusammenhang gerissenen Ausschnitten einer Theater-realität missbrauchen. Spielen Medien nicht in diesen -Zeiten eine besonders wichtige Rolle? Sollten sie sich nicht umso mehr ihrer Verantwortung stellen, sorgsam und mit Bedacht damit umgehen?
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Nur so viel als Antwort: „Gott“ war schon vor Monaten in einer Online-Premiere zu sehen.
Wir haben uns deshalb entschlossen, nicht noch einmal darüber zu berichten. Das Thema -„Sterbehilfe“ haben wir schon öfters aufgegriffen. Zuletzt in einer Titelgeschichte in ff 42 im Oktober 2019.
Georg Mair
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