Leserbriefe

Der Papst und die Abtreibung

Aus ff 31 vom Donnerstag, den 04. August 2022

Zitat
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Leitartikel von Alexandra Aschbacher in ff 28/22 über die emanzipatorische Errungenschaft eines sicheren Schwangerschaftsabbruchs.

Als ich mich anfangs der 1970er-Jahre erstmals mit der Abtreibungsproblematik auseinandersetzte, hieß es damals vonseiten der Befürworter eines legal möglichen Schwangerschaftsabbruchs unter anderem: Wir wollen einzig, dass abtreibungswilligen Frauen der straffreie Zugang zu einem sicheren, ihre Gesundheit nicht gefährdenden Schwangerschaftsabbruch ermöglicht wird, niemals aber solle der Abbruch eine Methode der Empfängnisverhütung, der Familienplanung oder der Selektion werden.

Wenn wir die heutige Abtreibungspraxis und die gesetzlichen Regelungen und künftigen Planungen dazu betrachten, dann ist der Dammbruch längst schon passiert: Föten mit Down-Syndrom und anderen (korrigierbaren) Fehlbildungen werden aussortiert, in asiatischen Ländern werden weibliche Föten bei Erstlingsschwangerschaften abgetrieben, finanzkräftige NGOs und UN-Organisationen fördern Abtreibung als Familienplanungsinstrument und setzen Entwicklungsländer durch Subventionsentzug unter Druck, Fristenregelungen werden nach Gutdünken gedehnt oder auch nicht eingehalten.

Das alles ist möglich, weil das Unrechtsbewusstsein (jeder Schwangerschaftsabbruch ist ein Tötungsakt) durch den liberalen Rahmen der Gesetze und der vehement geforderten Implementierung des Abbruchs als Menschenrecht schwindet und verdunstet. Als beratender Arzt hörte ich öfters : … was soll’s, ist ja erlaubt. Eine überaus laute und aggressive Abtreibungslobby tut ihr Übriges.

Ich wage deshalb zu behaupten, dass immer mehr Frauen und Männer die Entscheidung zum Abbruch nicht mehr als Dilemma oder Gewissenskonflikt wahrnehmen, weil der Meinungsdruck und die gesetzlichen Bedingungen den Stellenwert des Lebensschutzes zu dessen Nachteil relativieren.

Als Mann befinde ich mich zunächst in zweiter Reihe, kann mich aber nicht damit abfinden, dass, wie gefordert („Mein Bauch gehört mir“), der Schwangerschaftsabbruch in alleiniger Entscheidungsverfügbarkeit der Frau verbleiben soll. Bei der Entstehung einer Schwangerschaft spielt zumindest anfangs auch ein Mann eine Rolle und das verpflichtet ihn zur Verantwortung.

Weil viele Abtreibungen zu vermeiden wären, wenn die männlichen Geschlechtspartner mehr Verantwortung in ihrem Sexualleben und in ihrer partnerschaftlichen Zuwendung zeigen würden, lege ich den Finger in die Wunde: Als Männer stehen wir in der Pflicht, hier mehr Flagge zu zeigen.

Ich weiß, Abtreibungen können wir nicht ausrotten und es wird sie immer geben. Wir können aber die Rahmenbedingungen verändern: Es braucht wieder einen kulturellen Wandel zu mehr Ehrfurcht vor dem Leben, auch dem unverhofften und scheinbar nicht perfekten gegenüber, wir benötigen immer noch eine ideologiefreie Debatte über den Stellenwert des Lebensschutzes in einer Zivilgesellschaft, an einer Strafbarkeit ist auch die katholische Kirche keinesfalls interessiert. Eine christliche Haltung für mich würde lauten: nicht verurteilen, sondern helfen und begleiten.

Klaus Rabensteiner, Arzt, Feldthurns

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