Leserbriefe

Die Covid-Lektion

Aus ff 11 vom Donnerstag, den 16. März 2023

Warum es wichtig ist, die Pandemie aufzuarbeiten. Titelgeschichte in ff 10/23

Der Artikel hatte einen passenden Titel: „Die Covid-Lektion“. Daher habe ich ihn auch mit sehr großem Interesse gelesen. Zum Ende hin musste ich mich aber ungeheuer ärgern.

Grund dafür waren die Aussagen unseres Landeshauptmannes Arno Kompatscher, die er auf Bürgerversammlungen immer wieder tätigt. „Könnt Ihr Euch erinnern, als ich Euch …“ Ich möchte gar nicht weiter zitieren, denn umso mehr rege ich mich über so eine unverblümte Arroganz auf. Ich selbst war Zeuge einer solchen Aussage. Wie kann ein politisch Verantwortlicher Menschen, die damals wahrscheinlich mehr gelitten haben als er selbst, so ins Gesicht schlagen? Und dabei sogar indirekt zugeben, er hätte das alles selbst zu entscheiden gehabt. In allen Dingen, die er für Südtirol zu entscheiden hat, beruft er sich pausenlos auf den Satz: „Das kann nur mit Rom entschieden werden.“ Wenn er sich nun hier hinstellt und sagt: „… als ich Euch wieder rausgelassen habe“, zeugt das nur von fehlendem Einfühlungsvermögen!

Wir Bürgerinnen und Bürger sind keine Hühner, die nach einer Vogelgrippewelle wieder aus dem Stall durften. Es ging um menschliche Schicksale. Menschen, die monatelang ihre Liebsten nicht sehen durften, sie teilweise in Heimen und Spitälern nicht besuchen durften, keinen Abschied von Verstorbenen nehmen durften. Es gab Menschen, die auf engstem Raum ohne Balkon oder Garten mit ihren Familien ausharren mussten, da sie kein Anwesen wie der Landeshauptmann besaßen. Unsere Kinder und Jugendlichen verpassten die wichtigste Zeit ihres Lebens, die sie nie wieder aufholen werden!
Und da speist er uns mit einer so billigen Entschuldigung ab. Das finde ich mehr als unverschämt. Anstatt jetzt alles aufzuarbeiten, meint Herr Kompatscher, reiche das für ihn völlig aus.

Was mich aber noch zusätzlich unheimlich verärgert hat, ist, dass er auf der Bürgerversammlung Zustimmung bekam, da es die meisten Leute wohl nicht verstanden haben.

Carsten Schauerte, Jenesien