Leserbriefe

Die heilige Bestörung

Aus ff 03 vom Donnerstag, den 18. Januar 2024

Demo für Palästina im Bozner Dom: Kolumne von Florian Kronbichler in ff 1/24

Tja Herr Kronbichler, was soll man zu Ihrem ­Kommentar in der ff vom 4. Jänner noch sagen? Allein von politischer Naivität zu sprechen würde das Ganze zu sehr verharmlosen. Es ist erschreckend, ja sogar ver­störend, was Sie da schreiben: „Ab da ist es politisch. Und zwar wunderbar politisch.“ In Anbetracht solcher Zeilen läuft einem ein eiskalter Schauer über den Rücken. Was die jüdische Gemeinde zu solchen Bildern und Aussagen denkt, sollten Sie vielleicht selbst heraus­finden. Unterhalten Sie sich einmal mit Elisabetta Rossi über Ihre „Bewunderung“ für diesen Akt. Allein dass Sie das Wort „respektvoll“ in diesem Zusammenhang verwenden, zeigt leider, dass Sie weder Geschichte noch Hintergründe, persönliche Gefühle oder politische Horizonte richtig einschätzen können. Das verwundert, ja erschreckt sogar, bei einer Person mit Ihrem journalistischen Hintergrund. Vielleicht hilft Ihnen ja eine andere Perspektive: Stellen Sie sich vor, es wären jüdische „Aktivisten“ gewesen, die eine solche Aktion gestartet hätten. ­Vielleicht mit einem Spruchband „In ­Gedenken an die Ermordeten des Supernova-­Festivals und die verschleppten Geiseln. Für Frieden in Israel und der Welt“. Wie hätten die Damen und ­Herren mit Kufiya, die im Dom an­­wesend waren, wohl darauf reagiert? Ob Sie dann noch von einem „beein­druckend, störungsfreien“ Ablauf hätten schreiben können? Vielleicht unternehmen Sie auch mal einen Selbstversuch und laufen mit Kippa und Davidstern durch Bozen und am nächsten Tag mit PLO-Fahne und Kufiya. „Wunderbar politisch“ ­werden die Reaktionen, besonders der „Friedens­aktivisten für ein freies Palästina“, vor allem in Bezug auf die Kippa, sicher nicht ausfallen und auch nicht sehr friedlich. Ich bin auf Ihren Erfahrungsbericht in der kommenden ff sehr gespannt. Hoffentlich ent­ledigen Sie sich bis dahin auch Ihrer ideologisch politischen Scheuklappen. Immer nur in eine Richtung zu ­schielen, verhindert nämlich das Gesamtbild zu ­erkennen und schädigt langfristig die ­unvoreingenommene Sichtweise.

Alex Bechthold, Bozen

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