Emanuele Masi ist der künstlerische Leiter des internationalen Tanzfestivals in Bozen. Nach 14 Ausgaben macht er nun Schluss. Was er hinterlässt.
Leserbriefe
Die Welt ist ein Ball
Aus ff 30 vom Donnerstag, den 25. Juli 2024
Der Fußball ist begleitet vom (Miss-)Klang der Zeit. Essay von Georg Mair in ff 28/24
Im Fußball spielen sogenannte Nationalmannschaften gegeneinander. Dabei schwingt sehr deutlich die Vorstellung aus dem 19. Jahrhundert „ein Volk ein Staat“ mit. Wie „national“ die für Spanien spielende Elf ist, zeigt sich, wenn man Spieler einzeln durchgeht: Lamine Yamal, der es schon in seinem blühenden Jugendalter zu Weltberühmtheit gebracht hat, hat Eltern aus weit entfernten Ländern; Jordi Alba und Pau Cubarsí sind Katalanen; Martín Zubimendi und Mikel Oyarzabal sind Basken; Mikel Merino, Oihan Sancet und César Azpilicueta stammen aus Nafárroa (so heißt Navarra auf Baskisch); Iago Aspas ist Galicier, aus der Nordwestecke der Iberischen Halbinsel, wo man das Galego spricht, das eng mit dem Portugiesischen verwandt und nicht mit der spanischen Nationalsprache identisch ist. Man könnte sich überhaupt fragen, wie weit die gesamte spanische Sportwelt mit Kastilien, der staatstragenden Nation des Königreichs Spanien, identisch ist: Im spanischen Fußball gab es die katalanischen Namen Bosquets und Puyol, der Name eines bekannten Tormanns der spanischen Nationalmannschaft lautet – in der baskischen Schreibweise – Goikoetxea und wäre bedeutungsgleich mit dem hiesigen Familiennamen Oberhauser, die als spanisch bekannten Tennisspieler Rafael Nadal und Sergi Bruguera sind in Wirklichkeit Katalanen, der einmal legendäre „spanische“ Radrennfahrer Miguel Indurain ist Baske.
So national ist die nationale Sportwelt, ein für sich sprechender Beleg dafür, dass Nationalität und Nationalstaat Mythen aus dem 19. Jahrhundert sind, die – nicht nur in der Welt des Sports – überholt und mit Leichtigkeit widerlegbar sind.
Nichtsdestoweniger entfacht, und nicht erst bei der Fußball-EM in Deutschland, der Mannschaftssport nationalen Fanatismus. Eklatante Beispiele boten der Spieler Merih Demiral während des Spiels gegen Österreich, als er den faschistischen Wolfsgruß zeigte, und zahlreiche türkische Fußballfans, die dasselbe rechtsextreme Zeichen darboten. Rechtsextreme Grußzeichen gibt es auch in Europa und in Mitteleuropa, jedoch begegnen ihnen europäische Länder mit Entschiedenheit (wie Deutschland) oder zögernd (wie Italien).
Wenn rechtsextreme Symbole und Botschaften in einem demokratischen Land gesetzeswidrig sind und daher Straftaten darstellen, müsste der Wolfsgruß eigentlich auch strafrechtlich verfolgt werden können, auch wenn er beispielsweise in Deutschland in keinem Gesetzestext eigens und ausdrücklich erwähnt ist.
Wo sonst vielfach eine harte Vorgangsweise gegen Nicht-EU-Bürger gefordert wird, sollte bei dem türkischen Rechtsextremismus angefangen werden, zumal die Türkei EU-Beitrittskandidat ist.
Georg Lezuo, Bozen
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