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Leserbriefe
Wir müssen reden
Aus ff 46 vom Donnerstag, den 14. November 2024
Wie Kinder Sprachen lernen. Und wie Südtirol genau das verhindert. Titelgeschichte in ff 41/2024
Zum besseren Verständnis der Stellungnahme: Der Verfasser verbringt einige freie Tage in Apulien und hält sich in Wohngegenden ethnischer Minderheiten auf, deren Sprachen er benützt, spricht oder in seiner Freizeit lernt. Südtirol ist ein dreisprachiges Land, es ist jedoch auch innerhalb des italienischen Staatsgebietes nicht die einzige regionale Einheit, in der nicht nur die Sprache der staatstragenden Nation gesprochen wird. Nur 6 der 20 Regionen Italiens sind einsprachig – die Migration wird dabei nicht in Betracht gezogen: Lombardei, Emilia Romagna, Marken, Umbrien, Toscana, Latium. Das heißt zum Kummer oder Ärger unverbesserlicher Verfechter eines national-sprachlichen Einheitsstaates: nicht einmal ein Drittel.
Folglich ist die Formel „ein Volk ein Staat“, entstanden im 19. Jahrhundert an realitätsfernen Schreibtischen, ein Postulat, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von rechtsextremen Diktaturen mit allen verfügbaren Formen der Gewalt umgesetzt werden sollte – ein, wie man heute nüchtern feststellen kann, erfolgloses Unterfangen, was rechtsnationale Ideologien als Verlierer ausweist: Die Volksgruppen und Minderheiten gibt es immer noch, aller diktatorischen Brutalität zum Trotz, folglich werden auch jetzige und künftige engstirnige Hitzköpfe von Rechtsaußen nicht mehr erreichen. Was Südtirol von den anderen zwei- und mehrsprachigen Verwaltungseinheiten unterscheidet, ist die international abgesicherte Autonomie und die damit verbundene Zweisprachigkeit sowie eine Schutzmacht, welche die Interessen Südtirols wahrnimmt. Die Situation von Volksgruppen in nicht autonomen Regionen kann im Verhältnis – auch wenn es Leute gibt, nach deren Meinung es Südtirol so schlecht ginge – als prekär bezeichnet werden.
Man hört allenthalben, dass es mit der Zweisprachigkeit in Südtirol nicht funktioniert, trotz ideal klingender rechtlicher Vorgaben, an denen die Zweisprachigkeit auch nicht scheitert, sondern an den Leuten selbst: einerseits „Siamo in Italia“, andererseits „Südtirol ist nicht Italien“. Dass sich Andreas Hofer in Cles aufhielt, um das Trentinische zu lernen, wissen selbst ernannte Patrioten nicht, oder sie blenden es aus, weil es ihnen nicht in den Kram passt.
Südtirol scheint einen gewissen Stolz zu fühlen, wenn es darum geht, dass neben Italienisch als Zweitsprache auch Englisch als Fremdsprache unterrichtet wird, dass es Schulen gibt, wo man auch andere Sprachen von Welt lernt. Wie es jedoch um das Verhältnis zu Sprachen aussieht, die nicht von Welt sind, davon weiß der Verfasser dieser Zeilen, der von seinem Beruf her Pädagoge ist. Etwa bei den Griechen im Mezzogiorno: Um das Griechische in einer seiner Formen zu kennen, besuchen Jugendliche, für die das Griechische oft Großelternsprache ist und die entsprechende Fähigkeiten mitbringen, humanistische Gymnasien und Lyzeen – etwas wie ein Ausweg, um zumindest mit der Sprache der Vorfahren in Tuchfühlung zu kommen.
Georg Lezuo, Bozen, aus Chóra/Sternatía, griechischsprachige Gemeinde im Salento (Apulien)
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