Außensicht

Urlaub: Endgegner Wurfzelt

Aus ff 26 vom Donnerstag, den 27. Juni 2024

Jedes Jahr am ersten Strandtag denke ich mir, dass so ein Wurfzelt doch die praktischste aller Erfindungen ist: Raus aus dem Beutel, geschmeidig auf den Sand geschleudert, und – plopp – schon hat man ein schattiges Plätzchen. Jedes Jahr am Ende des ersten Strandtags jedoch denke ich mir, dass so ein Wurfzelt doch die schrecklichste aller Erfindungen ist: Wie hat dieses sperrige Ding jemals in diesem blöden Beutel Platz gefunden? Und welcher Menschenhasser hat sich so was ausgedacht?

Denn das Wurfzelt, so meine langjährige Feldstudie, bringt alle an ihre Grenzen: Alte und Junge, Mann und Frau, Studierte und solche, die reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Wer nicht mit dem Wurfzelt-Zusammenfalt-Gen gesegnet ist, wird sich am Ende des Tages in einem unwürdigen Gerangel mit einem Etwas aus Nylon und Fiberglas wiederfinden; die Lächerlichkeit der menschlichen Existenz aufgeführt en plein air vor großteils frohlockendem, vereinzelt mitfühlendem Publikum. Jeden kriegt es klein, der das umgekehrt eben nicht schafft: Ich möchte nicht wissen, wie viele Egos auf seinem Altar schon geopfert wurden, wie viele Beziehungen an ihm zerbrochen sind („Wir waren zehn Jahre lang glücklich verheiratet, doch dann passierte die Sache mit dem Wurfzelt.“)

Ich handhabe das so, dass es zwischen mir und dem Ehemann eine unausgesprochene Vereinbarung gibt: Ich packe, säubere, stopfe hungrige Mäuler am Strand, dafür übernimmt er das Wurfzelt. Gnädig wende ich mich dann ab (falls es unschön wird), betrachte interessiert das Meer, als hätte ich es eben erst entdeckt, und nehme mir vor, bis zum nächsten Urlaub zu Hause verbissen zu üben, was ich dann natürlich nicht tue. So bin ich stets der Wurfzelt-Zusammenfalt-Bereitschaft des Mannes ausgeliefert, was natürlich auch nicht ideal ist. Was, wenn ihn ein (harmloser) medizinischer Notfall ereilte und ich allein mit dem Zelt zurückbliebe? Noch bevor der bagnino „Signora, non è suo?“ fragte, würde ich es verleugnen: Nein, ich kenne dieses Zelt nicht, und kalten Blickes davonmarschieren. Dass es in jedem Strandabschnitt ein Depot für mutwillig ausgesetzte Wurfzelte gibt, daran habe ich keinen Zweifel.

von Alexandra Kienzl | Kolumnistin, Englisch-Lehrerin und ehemalige ff-Redakteurin

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