Giorgia Meloni wuchtet das Land um. Und die SVP? Sie sucht nach Magnagos Blumen am Wegesrand.
Außensicht
Landtag: Der falsche Platz
Aus ff 26 vom Donnerstag, den 27. Juni 2024
Ich verstehe erschreckend wenig von Fußball. Ich weiß, dass auf einem Feld 22 Spieler stehen und der Ball bestenfalls nicht im eigenen Tor landen sollte. Aber darüber hinaus treffe ich selten – zu groß sind meine Bildungslücken: Einmal wurde ich von deutschen Freunden ausgelacht, weil ich die Nationalmannschaft „Bundesmannschaft“ nannte. Ein anderes Mal gescholten, weil ich Mönchengladbach mit Bindestrich schrieb. Und als ich vor ein paar Jahren im Hamburger Millerntor-Stadion saß, konnte ich froh sein, dass St. Pauli fünf Tore schoss. Drei davon hatte ich nämlich schlicht verpasst.
Was ich sagen will: Ich weiß, wie es sich anfühlt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Unter fremden Menschen, deren Lieder man nicht singt und deren Fachvokabular man nicht beherrscht. Ich musste an meinen Stadionbesuch denken, als ich kürzlich Hannes Rabensteiner sah. Der Abgeordnete der Südtiroler Freiheit hatte seinen ersten Auftritt im Landtag absolviert und wirkte dabei ungefähr so souverän wie ein Truthahn auf dem Opernball. Er duzte den Präsidenten („Des drwortesch du schun nou“), legte eine Landesrätin auf die Psycho-Couch („I woas net, Ulli, wos mit dir passiert isch!“), äh-te, öh-te und segelte dann mit Anlauf über seinen eigenen Beschlussantrag.
Er wollte eben „redn, wia mir der Schnobl gwochsen isch“, sagte Rabensteiner im Anschluss und ich verstehe, was ihn antreibt: Auch ich hätte im Fußballstadion am liebsten über britische Comedy geredet und ein Glas Sylvaner bestellt. Aber weil ich verdammt noch mal weiß, was sich gehört, riss ich mich zusammen, trank Pils und sang „Das Herz von St. Pauli, das ist meine Heimat“. Von Rabensteiner und seiner Partei habe ich nämlich gelernt, dass Anpassung wichtig ist, Höflichkeit und Respekt vor Institutionen. Mit dem Unterschied, dass ich sie nicht nur von Menschen verlange, die „va olle Herrgotts Länder“ zu uns kommen. Sondern auch von denen, die angeblich unsere Demokratie am Laufen halten.
von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg
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